urdrüs wahre kolumne
: Murmeln mit Fischköpfen

Wie entfremdet offenbar selbst die Tätigkeit eines Weihnachtsmannes ist, konnte ich dieser Tage im Gewusel der Bremer Sögestraße feststellen, wo ein mutmaßlicher Jobcenter-Brigadist in entsprechender Aufmachung und wahrscheinlich für ganz kleines Geld dazu verpflichtet worden war, den angeödet neben ihren Verziehungsberechtigten einhertrottenden Kindern billige Schokolollis in die Hand zu drücken, um anschließend die Alten mittels eines Coupons zu bewegen, sich über monstermäßig billige Mobilfunkverträge speziell zum Fest der Liebe informieren zu lassen. Völlig frustriert vom kollektiven Desinteresse und wahrscheinlich auch von der eventuell gar provisionsabhängigen Bezahlung, riss sich einer dieser Miet-Weihnachtsmänner plötzlich in einem rabiaten Akt der Verzweiflung die rote Mütze und den Bart aus dem Gesicht, klatschte die dazugehörigen Insignien seines Elends auf den Tisch des Promotionsstandes und schrie dazu: „So eine Megakacke. Da dreht man ja durch!“ Hätte er doch wenigstens das Kostüm mitgenommen, um sich mal etwas Bargeld beim nächstbesten Kreditinstitut in den Gabensack stopfen zu lassen: Im Kino geht sowas auch immer gut aus …

Statt möglicherweise trügerische Hoffnungen auf den Wissenschaftsstandort Bremerhaven zu setzen, sollten die Fishtown-People doch lieber mit dem Pfund wuchern, das sie anerkannterweise haben, der Armut. Überall auf der Welt sind Slums Tourismusattraktionen erster Güte und so könnten dortige Senioren schon heute zeigen, wie wir vielleicht schon morgen alle leben wollen. Mit dem Gospel-Train geht es dann durch Lehe und Geestemünde, im Fischereihafen spielen Kinder in Kleidern aus der Resterampe Murmeln mit Fischköpfen und am Jobbüro können Besucher mal kostenpflichtig eine Schicht beim Entladen übernehmen, während der altgediente Tagelöhner zuschaut und den Lohn empfängt. Romantiktour ins Reich der Poverté – das Erlebnis für den, der von River Rafting, Tango Argentino, Ballonfahrten und Kugelfisch-Kochkursen die Schnauze voll hat.

Hiermit dementiere ich eine bösartige und niederträchtige Falschmeldung im lokalen Wirtschaftsteil der Hamburger Welt: „Das Christkind bringt MP3-Spieler und Designermode.“ Nein! Solchen Schweinkram macht es nicht!

Da versucht schon mal so ein kleiner Bullizeibeamter in Hamburg, sein Leben etwas bunter zu gestalten und wirft eine Flasche in Richtung eines menschenfeindlichen Wasserwerfers im Einsatz und schon wackelt die GAL zum Staatsanwalt und dringt auf Bestrafung von wegen „zweierlei Maß“. Liebt aber Gott den reuigen Sünder mit aktiver Umkehr vom bisher verpfuschten Leben als personifizierte Staatsmacht mehr als den selbstgerechten Alternativkasper mit Aussicht auf Abgeordnetenrente? Schämt’s euch, dem offenbar um persönliche Resozialisation Bemühten Knüppel zwischen die Beine zu werfen und macht das erstmal nach! In dankbarer Freude darüber, den 2. Advent morgen in der hannöverschen TUI-Arena bei der Schlagerstarparade gemeinsam mit Roland Kaiser, Patrick Lindner und vor allem der hochverehrten Andrea Berg feiern zu können, grüßt im Dominosteinschlag dieser Zeit ULRICH „WURLITZER“
REINEKING

Fotohinweis: ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, gibt alles, um der allgemeinen Entfremdung ein Ende zu setzen