uli hannemann, liebling der massen
: Jubel, Trubel, Heiterkeit

Normalerweise bin ich ja ein ausgesprochen fröhlicher Mensch. Doch dann kam das – nur eine kleine Ergebniszeile: „Arminia Bielefeld gegen VfL Wolfsburg 0:0“. Wie soll man da glücklich sein? Im Angesicht einer solchen Spielpaarung und eines solchen Resultats in, als wäre das alleine nicht des Trübsals genug, hellgrau unterlegter dunkelgrauer Type auf der Titelseite des Tagesspiegels, dieser Postille für die eingeschlafenen Füße blaunäsiger Rotweintrinker? Mehr niederschmetternde Symbolik ging nicht: Seitdem hat mich der Spätherbst ereilt, Totensonntag, Totenmontag, Totendienstag, und so weiter …

Gott, ist das alles dröge! Torlose Unentschieden zwischen farblosen Kontrahenten, Hochnebel, gedünsteter Blumenkohl, depressive Lesebühnenkasper, die „Berliner Abendschau“ im Fernsehen: Handtaschendiebstähle und totgefahrene Katzen. Da muss sogar jemand wie ich schlecht draufkommen, der für gewöhnlich mit einem quietschbunten Strauß optimistischer Gefühle ausgelassen durch das Dasein wedelt. Wem also, wenn nicht mir, sollte da ausnahmsweise die Frage gestattet sein: Was hat das alles überhaupt für einen Sinn?

Saisontypische Beschäftigungen unterstreichen nur die immanente Tragik: Mit einem Kranz verwelkter Chrysanthemen um den Hals onaniere ich weinend vor dem schwarzen Bildschirmschoner. Obwohl ich vor Niedergeschlagenheit nicht komme, fühle ich mich anschließend unendlich leer. Leere allerorten: Wenn ich die „Sportschau“ einschalte, kommt Wolfsburg gegen Bielefeld. Wenn vor mir ein schöner Teller duftenden Essens steht, wittere ich bereits den stinkenden braunen Haufen, der bald darauf in weitaus schlichtere Keramik hingebettet liegt. Wenn ich eine wunderbare Frau getroffen habe, sucht sie ab Dezember etwas Besseres: einen nachdenklichen sensiblen Mann; ich bin ihr zu unernst – da muss man einfach realistisch sein. Außerdem ficke ich wie ein Grottenolm. Hat sie nicht gesagt. Aber gedacht. Bestimmt. Das Glas ist für mich stets halb leer; doch nie lange, dann habe ich es ausgetrunken.

Ich stelle den leeren Schierlingsbecher ungewaschen zurück in das wacklige Regal meiner Befindlichkeit und starre aus dem Küchenfenster: Hochnebel. Alles Grau. Sonne null, Wolken null. Null zu null. Eine Stimmung wie in der Wolfsburger Fußgängerzone. Nichts liegt einem heiteren Gemüt wie mir ferner als zu klagen, nur erinnert mich mein ganzes Leben eben fatal an ein trostloses Remis zwischen Wolfsburg und Bielefeld. Achtzig Jahre, nein hundert – gerade Leute wie ich werden ja mit perfider Regelmäßigkeit sinnlos alt – mal 365 Tage mal 19 (denn genau so oft passen 90 „Spielminuten“ in 24 Stunden hinein), sprich 693.500 mal Bielefeld gegen Wolfsburg. Not gegen Elend; 11.325 gelangweilte Zuschauer – Gesichter ohne Namen, flüchtige Zaungäste meiner vergeblichen Nichtbemühungen; die Stadionbratwurst am Stand der Dinge schmeckt hoffnungslos lasch; in der Rubrik „besondere Vorkommnisse“: keine. Ein einziges Mal nur ergibt sich so etwas wie eine Minichance – von der Strafraumgrenze aus landet sie jenseits der Eckfahne. Einwurf Elend!

Vielleicht scheint ja morgen wieder die Sonne? Fragt sich nur wozu? Die Sonne ist Blendwerk, der Spätherbst die Offenbarung. Johannes. Heesters. Denkt mal drüber nach!