Nahles verteidigt Mindestlohn

BUNDESTAG Erste Lesung des Gesetzes. Opposition warnt vor weiteren Ausnahmen. Reform der Krankenkassen- beiträge verabschiedet

Die Opposition kritisierte die Ausnahmeregelungen für Langzeitarbeitslose

BERLIN afp | Begleitet von Warnungen aus der Wirtschaft und Forderungen von Gewerkschaften sowie Sozialverbänden hat der Bundestag am Donnerstag erstmals über das Gesetz zur Einführung von 8,50 Euro Mindestlohn debattiert. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verteidigte das Vorhaben: „Mit dem Mindestlohn setzt die große Koalition ein klares Zeichen: Arbeit hat in Deutschland ihren Wert.“ Die Opposition kritisierte die geplanten Ausnahmeregelungen für Jugendliche und Langzeitarbeitslose.

Nahles verwies darauf, dass fünf Millionen Menschen in Deutschland zu Dumpinglöhnen arbeiteten. Ohne einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn würden sie aus diesem Niedriglohnbereich nicht herauskommen. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Karl Schiewerling, sagte, es gehe um die Stärkung der Tarifautonomie. „Es muss fair am Arbeitsmarkt zugehen. Wir werden alles dafür tun, dass die Tarifpartner die Rahmenbedingungen dazu haben.“

Das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie, das den gesetzlichen Mindestlohn enthält, soll am 4. Juli vom Bundestag verabschiedet werden und ab 1. Januar 2015 gelten. Ausnahmen in einzelnen Branchen sollen aber bis Ende 2016 erlaubt bleiben.

Linken-Fraktionsvize Klaus Ernst sagte, das Gesetz sei ein „großer Fortschritt“. Zugleich nannte er 8,50 Euro Stundenlohn aber nicht ausreichend, um Altersarmut zu vermeiden. Um später eine Nettorente oberhalb der Grundsicherung zu bekommen, wären zehn Euro erforderlich. Ernst forderte ebenso wie die Grünen, die geplanten Ausnahmen vom Mindestlohn zurückzunehmen.

Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer nannte den Einstieg in einen gesetzlichen Mindestlohn einen „extremen gesellschaftlichen Fortschritt“. Allerdings sei die Ziellinie noch lange nicht erreicht. Pothmer warnte davor, immer neue Ausnahmen vom Mindestlohn zu fordern.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte hingegen, die geplanten Ausnahmen „greifen zu kurz“. Der Mindestlohn dürfe nicht Barriere für den Arbeitseinstieg sein. Auch für längere Praktika dürfe es keinen Mindestlohn geben. Laut Gesetzentwurf sind freiwillige Praktika nur bis zu einer Dauer von sechs Wochen ausgenommen. Ver.di-Chef Frank Bsirske warnte davor, der Forderung nach weiteren Ausnahmen nachzugeben.

Ebenfalls gestern gab der Bundestag mit den Stimmen der Koalition grünes Licht für die Reform der Krankenkassenbeiträge. Mit dem Gesetz gelten ab Januar 2015 für Millionen gesetzlich Versicherte veränderte Beitragssätze. Laut dem Gesetz sinkt der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung ab 2015 von jetzt 15,5 auf 14,6 Prozent, wobei der Arbeitgeberanteil von 7,3 Prozent gesetzlich festgeschrieben wird. Der bisherige Sonderbeitrag von 0,9 Prozent, den Arbeitnehmer bislang allein zahlen, entfällt. Auch pauschale Zusatzbeiträge gibt es dann nicht mehr, stattdessen können die Kassen künftig selbst einkommensbezogen prozentuale Zusatzbeiträge festlegen.