Zeichen für alle
: Sinnprovinz

Nils Schuhmacher

Die gar nicht mal große Zahl an Popkultur-Interessierten, die sich am vergangenen Mittwoch zu Diedrich Diederichsen ins Uebel & Gefährlich begeben hatte, weiß jetzt, was die Mehrheit in einem hellen Moment nur ahnt: Als Musik ist Pop nie interessant, innovativ, aufregend und weltbewegend. Viel entscheidender als das Lied, der Track, die Platte sind die darum kreisenden Satelliten: die Ideen, die „Aussagen“, der Style und die narzisstischen Projektionen der Rezipienten, durch die Pop von einer Mucke zu einer landschaftlich attraktiven Sinnprovinz wird. Wahr ist: 1. Die Popkritik hat keine allgemeingültigen Attraktivitäts-Standards zu bieten, 2. die Sinnprovinz ist mit viel Zeug zugestellt, das sich kühn und ambivalent gibt, aber durch und durch bieder ist, 3. Ausnahmen bestätigen die Regel. Mit diesem Pfund ganz sicher wuchern können die aus Washington stammenden Chain & The Gang, die ihr glitzerndes Versprechen auch gleich in eine Rhetorik der Grenzziehung verpacken, wenn sie mit dem Titel ihrer zweiten Platte kurz festhalten: „Music’s not for everyone“. Und so klingt die Sache auch. Zeichen für alle – stark verschwitzter Garage-Soul und Funk, Sexyness, Attitüde, Lichtgestalt, Ästhetisierung – verbinden sich mit Zeichen für manche. Soul und Funk greifen auf die Kraft von Hardcore zurück, die Sexyness ist androgyn, die Attitüde kantig, die Lichtgestalt stets verschattet. Und natürlich ist Svenonius nebenbei auch ein Theoretiker, der an die Macht von Rock glaubt. So ein toller glitzernder, exklusiver Schmutz. Es besteht noch – und das gehört nicht in den Pop-Kanon – Hoffnung (Do, 19. 6., 20 Uhr, Uebel & Gefährlich)