Ist es links, für Steinkohle zu sein?

In dieser Woche entscheidet die große Koalition mit der RAG und der Bergbaugewerkschaft über die Zukunft der Steinkohle. Ist es fortschrittlich, für ein Ende der Subventionen zu sein? Oder müssen die Linken für den Bergbau kämpfen?

Die Linke muss sich für die Interessen der Beschäftigten im Steinkohlebergbau einsetzen. Wir treten dafür ein, sowohl ökologische als auch soziale Aspekte bei der Zukunft des Steinkohlenbergbaus zu berücksichtigen. Ein sozialverträglicher Rückbau der Steinkohleförderung muss auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Ein Teil der Subventionen für den Steinkohlebergbau soll deshalb zielgerichtet für die Zukunft der Beschäftigten, für eine Aus- und Weiterbildungsoffensive, eingesetzt werden.

Und wir treten auch dafür ein, eine Grundfördermenge an Steinkohle zu erhalten. Nur so kann die Kompetenz in der Bergbau-Technologie erhalten werden. An dieser Kompetenz hängen noch einmal tausende von Arbeitsplätzen im Ruhrgebiet. Mittelfristig kann die Kohle der wichtigste Ersatz-Rohstoff für das zur Neige gehende Erdöl als Grundstoff der petrochemischen Industrie werden. Gerade vor dem Hintergrund des wachsenden globalen Rohstoffbedarfs wäre es extrem kurzsichtig, das Know-How im Kohlebergbau abreißen zu lassen. Als RAG-Chef Werner Müller noch Wirtschaftsminister war, hat er dies stets als Grundbestandteil von Energiesicherheit gefordert.

In langen und wiederholten Kämpfen haben die Bergleute die soziale Verantwortung der RAG für einen sozialverträglichen Rückbau durchgesetzt. Wenn der „Arbeiterführer“ Rüttgers den völligen Ausstieg und die Zukunft vom Erlös des Börsengangs abhängig machen will, opfert er die Interessen an einem nachhaltigen Energiekonzept und der Beschäftigten des Bergbaus und der dazugehörigen Technologiebetriebe den Aktionärsinteressen. Er entlässt die RAG aus der Verantwortung für Ewigkeitskosten und die Sozialverträglichkeit zu Gunsten der shareholder values. Die Gewinne werden wieder einmal privatisiert, die Kosten sozialisiert.

Die Forderung der SPD jedoch, davon zusätzlich noch einen Sockelbergbau zu finanzieren, ist Augenwischerei und könnte eine teure Angelegenheit für die Steuerzahler werden. Wer einen Sockelbergbau erhalten will, darf den profitablen Bereich der RAG nicht verscherbeln.

Der Wandel hin zu einer nachhaltigen Energiepolitik, Energieeffizienz und erneuerbaren Energien bieten große Chancen, auch für NRW, wenn man ihn richtig anpackt. Verbunden mit einem Sockelbergbau treten wir für eine gezielte Ansiedlungsstrategie im Bereich erneuerbarer Energien ein. Speziell für Kohlebergbau-Regionen wollen wir den Anlagenbau und die industrielle Zulieferung stärken. In der energetischen Häusersanierung gibt es einen nachweislich hohen Arbeitskräftebedarf, auch im Ruhrgebiet.

ULLA LÖTZER

Nein – es ist kein Merkmal linker und fortschrittlicher Politik, auf den Fortbestand des Steinkohlebergbaus und eine „nationale Energiereserve“ zu setzen. Jeder Euro, mit dem die Steinkohle subventioniert wird, fehlt für künftige Investitionen in den Klimaschutz und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in zukunftsfähigen Bereichen. Wer also nationale Energieinteressen bei der Kohleförderung betont, ohne sie in den Zusammenhang der internationalen Klimakatastrophe zu stellen, verschweigt, dass sich die Subventionen in Höhe von 2,3 Mrd. Euro für die nationale Kohleförderung automatisch gegen gleich hohe Investitionen in zwei andere Bereiche richten, und zwar in die staatlich geförderte Schaffung neuer Arbeitsplätze im Sektor der erneuerbaren Energien und in den staatlichen Ausbau des Bildungssektors.

Kohle ist der klimaschädlichste unter den fossilen Brennstoffen und muss schon deshalb als Auslaufmodell gelten. Die drohende Klimakatastrophe ist die Summe aller Fehler einer Industriepolitik, die zu spät umsteuert – weg von der exzessiven Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, weg von einer Industrialisierung mit hohen Energieverbrauch.

Große Kohlekraftwerke haben einen Wirkungsgrad von 40%. Sie sind die Dinosaurier der Energieerzeugung. Die allein in NRW geplanten acht neuen Kohlekraftwerke werden mehr Klimagase ausstoßen als die ganze Schweiz zusammen. Darum ist es weder solidarisch noch fortschrittlich, für einen energiepolitischen Strukturkonservatismus zu kämpfen. Diese Fehler der Industriestaaten werden heute von den Ländern der Zwei-Drittel-Welt kopiert. Dennoch wäre es falsch, mit dem Finger auf sie zu zeigen. Denn schließlich leiden gerade jene Länder am stärksten unter dem Klimawandel, die am wenigsten dafür verantwortlich sind. Schon heute gibt es mehr Umweltflüchtlinge als Kriegsflüchtlinge. Je ärmer Menschen, Regionen oder Länder sind, desto geringer sind ihre Möglichkeiten, den Folgen des Klimawandels auszuweichen, sich anzupassen, oder zu schützen. Darum ist eine strukturkonservative Kohlepolitik ökologisch blind und sozial ungerecht.

Unsere Solidarität muss nicht dem Bergbau, sondern den Bergarbeitern gehören. Denn die ehemaligen Bergbauregionen in NRW brauchen neue Arbeitsplätze – z. B. durch eine Umlenkung der Kohlesubventionen in ein nationales Investitionsprogramm für Energiesanierung oder eine gezielte Wirtschafts- und Beförderungspolitik für erneuerbare Energien. Der Bergbau muss gehen, die staatliche Förderung muss bleiben. Das wäre wirklich fortschrittlich.DANIELA SCHNECKENBURGER