Prügel gerne auch von beiden Seiten

Das Klischees verneinende No-Budget-Wunder aus der Islamwissenschaftler-WG: Wie es der Redaktion des Hamburger Orient-Magazins „zenith“ gelingt, viermal im Jahr eine gute Zeitschrift zu machen – ohne Geld, dafür mit Hilfe eines Netzwerks aus Freunden und Kennern der islamischen Welt

„Alle reden über Dubai und seine Glitzerwelt, aber niemand über die, die dort zu Hungerlöhnen arbeiten.“

von DANIEL WIESE

Von außen betrachtet macht zenith – die Zeitschrift für den Orient einen guten Eindruck. Die Titelseiten sind schön gestaltet, das Papier ist dick und fühlt sich angenehm an. Im Inneren finden sich aufwendig gemachte Fotostrecken, die Texte sind nicht zu lang und nicht zu kurz, und sie tragen bei zu einem Blick auf den Orient, der noch anderes sieht als religiösen Fanatismus oder den Nahost-Konflikt. zenith berichtet von den Lebenswelten hinter diesen Konflikten, und das auf eine wohltuend sachliche Art, die selten ist.

Der kleinen Zeitschrift mit der Hamburger Redaktionsadresse mangelt es nicht an Zuspruch. „Fern jeder elitären Attitüde schafft es diese junge ‚Zeitschrift für den Orient‘, die Lücke zwischen modernen Lifestyle-Magazinen wie Geo und wissenschaftlichen Fachjournalen zu füllen“, schrieb die taz auf ihrer Medienseite. Und „Spiegel online“ lobte: „Wenn zenith über den Orient schreibt, bleibt weder Platz für klischeehafte Romantik noch für Schwarzmalerei.“

Trotzdem ist bei zenith fast alles anders als bei anderen Zeitschriften. Das fängt damit an, dass die Hamburger Redaktion telefonisch nur über eine Berliner Nummer zu erreichen ist. Am anderen Ende der Leitung meldet sich dann eine Agentur. „Ach ja, zenith“, sagt eine Männerstimme. „Nein, hier ist nicht die Redaktion. Ich gebe Ihnen da mal eine Mail-Adresse.“ Die öffnet die Tür zu einem Treffen in der Nähe der Hamburger Reeperbahn: Ein privates Klingelschild mit mehreren Namen, ein klinikartiges, hallendes Treppenhaus, eine Studentenwohnung. Bitte die Schuhe ausziehen: In Socken sitzen sie in einem Zimmer, dicht gedrängt auf einem Sofa, auf Hockern, Stühlen, und halten ihre Redaktionskonferenz ab.

„Wir haben im Moment kein eigenes Büro“, entschuldigt sich Hannes Alpen, einer von zwei Redaktionsleitern. Später wird er erzählen, dass sie mal auf St. Pauli Redaktionsräume hatten, neben einem Weinladen „von jemand, der uns wohlgesonnen war. Der hat dann den Weinladen aufgelöst, und uns ist damit die Location abhanden gekommen.“

Hannes Alpen ist 24, das ist ungefähr das Durchschnittsalter bei der Redaktionskonferenz. Fast alle hier studieren Islamwissenschaften, außer Alpen, der studiert Geschichte – „mit Schwerpunkt Naher Osten“, wie er hinzufügt. Es geht in der Konferenz bereits um das übernächste Heft, das im Sommer erscheinen soll: Sie planen weit voraus bei zenith. An den Themenvorschlägen zeigt sich, dass die meisten schon mal an den Orten waren, an denen die Geschichten des Heftes spielen. Ägypten, Marokko und das Kaspische Meer, das Nachtleben von Damaskus und die Surferszene von Haifa – wer Islamwissenschaften studiert, studiert auch Arabisch, und da ist es gut, wenigstens ein Semester im Ausland zu verbringen, wenn es geht, sogar zwei.

Für die Zeitschrift ist das ein Vorteil, nicht nur wegen der Kontakte, die dabei herausspringen. Die zenith-Redaktion kennt sich an den Orten aus, die im Heft vorkommen, das ist der Zeitschrift anzumerken, der Art, wie sie mit Themen und mit Bildern umgeht. Und nicht selten kehren die Redakteure mit einem Rucksack voller Geschichten aus ihrem Auslandssemester zurück, Geschichten, die später in der Zeitschrift landen.

Vier Ausgaben erscheinen im Jahr, eine pro Quartal, wobei die Redaktion etwas hinterher ist zur Zeit: Die vierte Ausgabe 2006 – unter anderem mit einem Schwerpunkt über Deutsche im Orient – wird zur ersten 2007 werden. „Damit wir den Rhythmus endlich wieder einhalten“, sagt Christian Meier. Sein Name steht im Impressum unter „Herausgeber“, er gehört zur Gründergeneration von zenith, zu denen, die fertig sind mit Studieren und nun ihre „Erfahrungen weitergeben“ wollen, wie er sagt. Christian Meier hört zu, wie die anderen reden, manchmal lächelt er und schaltet sich ein und sagt, wie sie es sonst immer gemacht haben.

„Die meisten von den Herausgebern sind gar nicht mehr in Hamburg, die machen Filme fürs ZDF oder Volontariat bei der FAZ“, sagt Hannes Alpen nach der Redaktionskonferenz. Geld bekommt keiner aus der Redaktion. Aber der Ruf von zenith ist gut, da sind auch renommierte Autoren bereit, ohne Honorar zu schreiben. „Es gibt halt viele, die finden uns ganz gut“, sagt Hannes Alpen, deswegen kommt die Redaktion auch an gute Fotos. „Für manche junge Fotografen sind wir ein Sprungbrett“, sagt Alpen. Andere, die schon gut im Geschäft sind, geben ihre Fotos umsonst, weil sie die Zeitschrift unterstützen wollen.

Hinter zenith steht nicht nur die Redaktion, sondern ein ganzes Netzwerk an Freunden der islamischen Welt und des Orients. Das professionelle Layout besorgt der befreundete Inhaber eines Grafikbüros in Hamburg, und die Berliner Telefonnummer, bei der man landet, wenn man die Redaktion erreichen will, gehört zu einer Verlags- und Anzeigenagentur, die das Geschäftliche regelt.

Dieser Input von allen Seiten hält der Redaktion den Rücken frei. Auf die Ideen für ihre Hefte muss sie von allein kommen. Mitten im deutschen Kopftuchstreit machte zenith ein Schwerpunktthema Mode, in dem das Kopftuch als modisches Accessoire behandelt wurde. „Von der Süddeutschen Zeitung sind wir deswegen angegriffen worden“, sagt Alpen nicht ohne Stolz. Auf der Titelseite des aktuellen Hefts, Thema: „Bauboom und Wohnungsnot“, schauen Bauarbeiter in die Kamera, hinter ihnen verschwimmen die Hochhäuser von Dubai. „Alle reden über Dubai und seine Glitzerwelt“, sagt Alpen, „aber niemand über die Bauarbeiter, die dort zu Hungerlöhnen arbeiten.“

Was nicht heißt, dass sich die Redaktion einer politischen Richtung verpflichtet fühlt. Wenn zenith beispielsweise über den Nahost-Konflikt schreibt, bekommt die Redaktion gerne von beiden Seiten Prügel, wie zu hören ist. Aber das lässt sich vielleicht auch als Auszeichnung verstehen.

„Zenith – Zeitschrift für den Orient“ ist an ausgewählten Kiosken und im Abonnement erhältlich. Die Ausgaben können auch über die Homepage bestellt werden: www.zenithonline.de