„Etwas mehr Sicherheit vor Angriffen“

Ana del Carmen Martínez erhält heute gemeinsam mit Carolina Pardo Jaramillo von der Organisation „Gerechtigkeit und Frieden“ den Solidaritätspreis des Bremer Senats. Sie streiten für ein Leben ohne Waffen in einer Konfliktregion

taz: Frau Martínez, für Ihre Menschenrechtsarbeit mitten im bewaffneten Konflikt bekommen Sie den Bremer Solidaritätspreis. Welche Bedeutung hat der Preis für die Friedensgemeinde, die Sie repräsentieren?

Ana del Carmen Martínez: Die Verleihung zeigt, dass die Rechte der Zivilgesellschaft etwas gelten und dass wir sie zu Recht in den letzten zehn Jahren hochgehalten und verteidigt haben. Durch die Auszeichnung wird die Friedensgemeinde auch international sichtbar und das bedeutet für uns etwas mehr Sicherheit vor Angriffen durch die Paramilitärs.

Wie haben Sie sich bisher geschützt?

Der wichtigste Schutz für die Friedensgemeinde ist die Präsenz von Freiwilligen der Internationalen Friedensgemeinden (PBI) und der christlichen Menschenrechtsorganisation „Gerechtigkeit und Frieden“, mit der wir den Preis teilen. Mit deren Hilfe versuchen wir, unser Recht auf Neutralität im bewaffneten Konflikt durchzusetzen.

Hat sich die Situation nach der offiziellen Demobilisierung der rechten Paramilitärs entspannt?

Nein, die Region ist nach wie vor stark militarisiert. Das ist so seit dem 13. Mai 2003, dem Tag als die Soldaten erneut kamen und einen Militärposten einrichteten, und daran hat sich nichts geändert. Die Soldaten akzeptieren das Waffenverbot auf dem Areal unserer Friedensgemeinde, der humanitären Zone, nicht.

Und gibt es noch Paramilitärs in der Region?

Ja, natürlich. Für uns hat sich mit der Demobilisierung nichts geändert, denn die Paramilitärs sind genauso präsent wie vorher. Wir können manchmal nicht auf die Felder, um zu arbeiten, weil die Paramilitärs irgendwo lauern. Die Situation ist extrem gefährlich und nahezu täglich werden Bewohner der Gemeinde bedroht und aufgefordert zu gehen. Wir leben in permanenter Angst.

Wie ist die Friedensgemeinde organisiert?

Wir organisieren uns basisdemokratisch, haben verschiedene Komitees für die Organisation des Alltags gegründet und treffen die wichtigen Entscheidungen in den allgemeinen Versammlungen, an denen alle teilnehmen.

Haben Sie bereits Pläne, wie die 5.000 Euro Preisgeld investiert werden sollen?

Nein, das wird die Versammlung entscheiden. Es gibt immensen Bedarf, so fehlt es zum Beispiel an Bootsmotoren. Im vom tropischen Regenwald geprägten Chocó sind die Wasserstraßen die zentralen Verkehrswege. Wir müssen aber auch die Ausstattung unserer Schule verbessern und die Lehrer, die alle aus der Gemeinde stammen, weiterqualifizieren. Was uns aber auch fehlt, sind Satellitentelefone, denn das eine, welches uns die Regierung lieferte, ist nicht funktionstüchtig.

INTERVIEW: KNUT HENKEL