Keine Zeit, ein Buch zu schreiben

betr.: „Das Eva-braun-Prinzip“, taz vom 29. 11. 06

Als Mutter von 8 Kindern würde ich Eva „braun“ gerne einmal einen Einblick in meinen Alltag geben, um sie aus ihrer Traumwelt herauszuholen. Wieso hat sie es nötig, der „bösen Emanzipation“ für ihre Lebensentscheidungen die Schuld zu geben? Bin ich nicht auch zur selben Zeit groß geworden und habe trotzdem Kinder bekommen? Obwohl ich oft auf mich alleine gestellt war. Aber halt, das ist doch das Gute an der Emanzipation. Ich musste nicht in einer furchtbaren Ehe bleiben. Und keiner hat mich an den Pranger gestellt, als ich auch noch uneheliche Kinder bekam. Ich war berufstätig und habe mich weitergebildet. Ich konnte das leben, was ich wollte.

Wieso hat Eva Herman eine solch versteckte Aggression, dass sie allen Frauen vorschreiben möchte, wie sie zu leben haben und vor allem glücklich werden sollen? Und wieso, um Himmels willen, meint sie, dass das Leben zu Hause kein Hamsterrad wäre? Mit welcher Unkenntnis über den Alltag wird hier argumentiert: Befreiung vom Diktat der Zeit? Ich kann nur lachen. Es gibt kein effektiveres Zeitmanagementtraining, als ein kleiner Schreihals oder ein paar davon. Wenn ich gelernt habe, nach Takt und genauem Timing durch den Tag und die Nacht zu gehen, dann durch die Kinder.

Ich habe einmal einer Journalistin, die sich für das Leben in einer kinderreichen Familie interessierte, gesagt, dass ich 4 Tonnen Wäsche im Jahr wasche. Das passte nicht in das Heile-Welt-Kuschelbild. Gedruckt wurde: 4 Tonnen bisher (30 Tonnen wären das dann eher bisher gewesen). Ich schleppe jedes Jahr 5 Tonnen Lebensmittel in dieses Haus, um sie zu zigtausend Mahlzeiten zu verarbeiten, und laufe täglich die Treppen rauf und runter, dass ich mindestens einmal pro Jahr auf den höchsten Berg der Welt steige.

Ist es dieser Frau mit Sinn- und Lebenskrise wirklich nicht bekannt, dass es verflixt viel unbezahlte, zum größten Teil stupide Hamsterradarbeit ist, die mit dem Etikett „Bestimmung der Frau“ ekstatisch überhöht wird? Es ist so viel Arbeit, dass ich nicht dazu komme, ein Buch zu schreiben: Über die gesellschaftlich unerwünschte (da zu teure) Tatsache, dass frau landauf und landab sich mehr Beteiligung der Gesellschaft an dieser Arbeit wünscht: mütterfreundlichere, personell gut ausgestattete, flexible Kindergärten, Schulsysteme mit Bildungsauftrag und Arbeitgeber, die familienfreundliche Arbeitszeitmodelle anbieten. DANIELA SELBERG