Einmal Hü und Hott, also Sektdusche und selbstgewählte Tristesse. Muss man halt Per Anders und Schluck den Druck gleichzeitig hören

Für das neue Jahr nimmt man sich ja gern mal was vor. Deshalb hat diese bescheidene Kolumne beschlossen, den Weltfrieden voranzutreiben. Als ersten Schritt auf dem Weg zu ewiger Harmonie versuchen wir heute, die größtmöglichen Gegensätze zu versöhnen, nämlich Per Anders und Schluck den Druck: Die einen säuseln Englisch, die andern blöken Deutsch. Die einen sind ein Nebenprojekt mit Trübsinnsausgleich, die anderen hauptberufliche Lautstärkeregler. Die einen sind besinnlich, als wollten sie Weihnachten an 365 Tagen im Jahr veranstalten, die anderen hemmungslos, als arbeiteten sie an einem ewigen Silvester. Beide allerdings vereint, und hier starten wir die Versöhnung, dass sie auf einem sehr schmalen Grat wandeln.

Denn die Melancholie, die Jörg Holdinghausen, der sonst bei Tele den Bass spielt, und Pola Roy, liebenswert schielender Schlagzeuger von Wir sind Helden, auf ihrem ersten gemeinsamen Album unter dem wohl schwer bedeutungsschwangeren Namen Per Anders weidlich auskosten, schwankt bisweilen bedrohlich zwischen stolz zur Schau getragenen Schwermut und Mitleid erregender Larmoyanz. Am besten sind die beiden, die in ihren Bands sonst in der zweiten Reihe stehen, wenn sie sich mit sachter Ironie am britischen Folkrock der Siebziger vergehen und sich irgendwo zwischen Fairport Convention und Barclay James Harvest verlieren, dazu besinnungslos „Free my soul“ flehen, während die akustischen Gitarren klimpern und Helden-Sängerin und Roy-Lebensgefährtin Judith Holofernes beseelten Background-Gesang beisteuert. Doch bisweilen schlagen die kunstvollen Klagegesänge um in gepflegte Langeweile, und dann geht die Distanz verloren zur selbstgewählten Tristesse. Die Melancholie, bis dahin noch liebenswertes Luxusgut, wird plötzlich zur selbstgefälligen Gefühlsduselei. Und aus zwei Popmusikern, die auch mal in der ersten Reihe stehen wollten, wird eine übersättigte Supergroup auf Selbstfindungstrip.

Ähnlich gefährlich, wenn auch auf ganz anderem Terrain, agieren Schluck den Druck. Auf ihrem Album „Im Rausch mit Freunden“ rattern die Maschinen maximal mechanisch, während die beiden Frontschweine Alex und Florian vom Reimzwang gegängelte Texte mit dadaistischen Anspruch grölen. Beispiel: „Es geht noch mehr/ Oh Gott, mich trifft der Speer.“ Oder: „Schaum, Schaum, Schaum vorm Mund/ Wir fühlen uns wie ein Schwiegerhund.“ Wer seinen Leib in einen Club zum gemeinschaftlichen Schwitzen verfrachtet, braucht nicht unbedingt allzu einfühlsame Texte. Wobei es das Berliner Brachial-Duo geschickt versteht, seine Parolen so kryptisch zu halten, dass mit ausreichender Dosis Ecstasy wohl einiger Hintersinn hineininterpretiert werden kann. Man muss es ja nicht allzu hochsterilisieren, äh, ja, irgendwie. Egal: Ob Schluck den Druck nun die „Sektdusche“ besingen oder die „Erektion am Mittagstisch“, wichtig is auffer Tanzfläche. Und dafür haben sie zwar nur einen Rhythmus drauf, der aber ist so stumpf und dumpf, dass im Zweifelsfall jeder mitmuss in Richtung Weltfrieden. THOMAS WINKLER

■ Per Anders: „Per Anders“ (Supermodern)

■ Schluck den Druck: „Im Rausch mit Freunden“ (Druckplatten/ Soulfood)