Auf den Flügeln der Naaaaaacht

Amadeus-80er-Kitsch, dicke Eckzähne, Bonnie Tyler auf Deutsch und Alexander Klaws als Vampirjäger: Seit Sonntag läuft im Theater des Westens Roman Polanskis Klassiker „Tanz der Vampire“ in Musical-Form. Es hätte schlimmer kommen können

VON JENNI ZYLKA

Den besten Gag im Original-Film hat Roman Polanski selbst: In der Rolle des ultraschüchternen Assistenten Alfred beobachtet der Regisseur und Drehbuchautor durch das Schlüsselloch, wie die schöne Pensionstochter Sarah von einem graugesichtigen Vampir ausgesaugt wird, und springt schlotternd auf seines Professors Schoß. Weil er vor Schreck nicht mehr sprechen kann, hält er sich als Erklärung seine gebogenen Zeigefinger wie Fangzähne vor den Mund und faucht wie eine tollpatschige Katze.

Im gesamten Restfilm, der ersten US-Produktion des jungen polnischen Regisseurs, hat er so wenig Text, dass der auf eine Drehbuchseite passen könnte. Dass man trotzdem dauerkichert, liegt an dem unglaublich feinsinnigen Slapstick, den Polanski mit seiner bescheuerten Beatnikfrisur über der großen Nase, den zu engen Robin-Hood-Leggins und seiner umwerfend gespielten Verklemmtheit zusammen mit Jack MacGowran als Professor Abronsius hinlegt: Als ausgefuchstes Comedianpaar spielen sie sich wortlose Bälle zu wie Stan & Ollie, die Marx Brothers oder ein doppelter Jacques Tati.

Wortlose Bälle sind natürlich nichts für ein Musical. Und Alexander Klaws, in dem Deutschland mal den Superstar gefunden hatte und der seitdem mit hochgestellten Augenbrauen und eingebautem Weichzeichner Liebeslieder in den Charts singt, ist nicht Roman Polanski. Dennoch: Das „Grusical“ im Theater des Westens hätte noch schlimmer sein können. Denn die grausame Fratze des depperten Musicals offenbarte sich glücklicherweise erst ganz am Schluss: Da tanzen plötzlich alle Darsteller als Poprock-Vampire in schwarzem Lackleder und mit diesen schlimmen, hochgetürmten Amadeus-Frisuren ihre In-your-face-Choreografien, als ob es wirklich kein Morgen gäbe. Vorher aber passte die Theatralik, die Schlageraffinität und die gleichförmige Abwechslung der drei Haupt-Musicalposen (dramatisches oder lustiges Solo, Duett, bei dem er und sie sehnsüchtig in die rechte obere Ecke gucken, und tanzintensive Ensemblenummer) eigentlich sehr gut zum Stoff.

Zum Glück hat sich Polanski, der hier wieder als Regisseur fungierte, weitgehend an seine großartige Vorlage von 1967 gehalten – bis hin zu ähnlichen Kostümen und Bühnenbildern. Nur der Humor musste leider oft erfolglos in die Texte gepackt werden. Darüber hinaus war es wirklich viel verlangt, sich anstatt vor den Blutsaugern nicht die ganze Zeit vor dem musikalischen Grundthema des Stücks zu gruseln: Komponist Jim Steinmann, der Milli-Trillionen mit terroristischen Meatloaf-Hits wie „I Would Do Anything For Love“ verdiente, hat nämlich aus unerklärlichen Gründen den ebenfalls von ihm verfassten Bonnie Tyler-Song „Total Eclipse Of The Heart“ recycelt. Und so summen und singen die Untoten währen der drei Sitzfleisch fordernden Stunden unzählige Male „Sei bereit“ statt „Turn around“. Das ist der eigentliche Schocker des Stücks.

Vielleicht kann Polanski da gar nichts dafür. Im Presseinterview sagte er jedenfalls, er habe kein Problem damit gehabt, das Libretto des bislang nur in deutschsprachigen Ländern aufgeführten Stücks Michael Kunze zu überlassen – er spräche ohnehin kein Deutsch. Vielleicht ist er auch einer der wenigen glücklichen Menschen, die die Charts der 80er nicht kennen. Zur Premiere am Sonntag war Polanski jedenfalls angereist, um das Prominentenniveau zu heben – neben Frank Zander im Vampirkostüm und Caroline Beil fiel ihm das recht leicht.

Wenn man also konsequent weghört, wenn der Hauptvampir Roland-Kaiser-artige Texte wie „Eine Reise auf den Flügeln der Naaaacht!“ schmettert, wenn man Lust auf neblig-staubige Nachtbilder, pompöse Rotlichtspiele, dicke Eckzähne, 80er-Edel-Kitsch und staunende Bus-Touris hat, dann kann man sich bestimmt amüsieren. Aber wenn man etwas Grandioses sehen will, sollte man einfach nochmal den Film gucken.

Tanz der Vampire, Theater d. Westens, tägl. außer Mo., (0 18 05) 44 44