Frauenrechte sind der beste Kinderschutz

Die weibliche Hälfte der Menschheit wird bis heute in vielen Ländern benachteiligt und diskriminiert. Abhilfe schaffen können Bildung und die Teilnahme von Frauen am politischen Leben, so das Kinderhilfswerk Unicef in seinem Jahresbericht

VON NANA GERRITZEN

Armut und Unterdrückung von Kindern könnten verringert werden, wenn die Stellung von Frauen in der Gesellschaft gestärkt würde. Das ist die zentrale Aussage des gestern vorgestellten Jahresberichtes von Unicef, der unter dem Motto: „Starke Frauen – starke Kinder“ steht.

Ein Mädchen zu sein, kommt in vielen Teilen Asiens und Afrikas einem Todesurteil gleich. Besonders scharf prangert Unicef daher die Abtreibung von weiblichen Föten an. „Diese Mädchenabtreibungen haben das demographische Verhältnis komplett verzerrt“, so Unicef-Botschafterin und Moderatorin Sabine Christiansen. In Indien kämen nur noch 927 Mädchen auf 1.000 Jungen, in China seien es sogar weniger als 900 Mädchen. Statistisch gesehen fehlten daher rund 100 Millionen Frauen weltweit. „Diese selektive Abtreibung ist auch in den Mittelschichten verbreitet“, sagte Christiansen. Viele Männer sähen die Geburt eines Mädchens als wertlos an.

An seinem 60. Gründungstag fordert Unicef verstärkte Investitionen in die Bildung, die Förderung von Frauengruppen und den Schutz von Mädchen und Frauen vor Diskriminierung und Gewalt. Von den weltweit 771 Millionen Analphabeten sind zwei Drittel Frauen. Mädchen haben einen viel schlechteren Zugang zu Bildung als Jungen. Auf 100 Jungen, die nicht zur Schule gehen, kommen 115 Mädchen.

Die Bildung von Frauen ist nicht nur eine wesentliche Voraussetzung, um sich aus der Abhängigkeit befreien zu können, sondern sie verbessert auch die Entwicklungschancen der Kinder. „Gesunde, gut ausgebildete und selbstbewusste Frauen sorgen dafür, dass auch ihre Kinder gesund, gut ausgebildet und selbstbewusst sind“, sagte die Vorsitzende von Unicef Deutschland, Heide Simonis, in Berlin. Auf diese Weise gebe es eine „doppelte Dividende“.

Umfrageergebnisse der Unicef zeigen, dass Frauen selbst bei den grundlegendsten Entscheidungen ein Mitspracherecht vielerorts verwehrt bleibt. In Afrika und Indien berichtete die überwiegende Mehrheit der befragten Frauen, dass allein die Männer über die medizinische Versorgung entscheiden würden. Berechnungen des amerikanischen International Food Policy Research Instituts zufolge würde der Anteil unterernährter Kinder in Südasien um 13 Prozentpunkte sinken würde, wenn die Frauen im Haushalt gleichberechtigt mitentscheiden könnten. Der Grund: Für Frauen hat die Ernährung der Familie in der Regel einen höheren Stellenwert als für Männer. Neben Bildung sieht Unicef eine Chance für die Zukunft in der Teilnahme von Frauen an der Politik. Die Teilnahme von Frauen am politischen Leben hat einen direkten Einfluss auf das Wohlergehen von Kindern: In Gesellschaften, in denen Frauen gleichgestellt sind, geht es den Kindern besser. Weibliche Politiker setzen sich eher für frauen-, kinder- und familienpolitische Themen ein als ihre männlichen Kollegen. Obwohl sich in den letzten drei Jahrzehnten die Situation von Frauen vielerorts verbessert habe, sei die Gleichstellung der Geschlechter noch lange nicht vollzogen, so UN-Generalsekretär Kofi Annan im Vorwort des Jahresberichts. Fast überall auf der Welt sind Frauen in den Regierungen immer noch deutlich unterrepräsentiert.