„Das ist keine Kunst“

RAP Der Berliner Rapper Marteria ist angetreten, HipHop jenseits von Proll- und Posergesten mit intelligenten Texten zu beleben

■  Das Talent: Marten Laciny ist im Dezember 28 Jahre alt geworden. Aufgewachsen in Rostock, schafft er es bis in die deutsche U-17-Auswahl, bevor eine Verletzung seine Fußballkarriere stoppt. Er arbeitet als Model und schließt eine Ausbildung an der Schauspielschule ab.

■  Seine Musik: Sein erstes Album veröffentlicht er 2006 unter dem Alter Ego Marsimoto und sorgt mit hochgepitchter Stimme und Text-Experimenten für Aufsehen in der HipHop-Presse. Das zweite Marteria-Album „Zum Glück in die Zukunft“ wird als bestes deutsches Rap-Album 2010 gepriesen. Marteria rappt darauf in atemlosen Tempo über Beziehungsstress, Tofu, Leben im Computerspiel, „Bowling in Columbine, Kegeln in Erfurt“, und sogar weitgehend kitschfrei über seinen dreijährigen Sohn Louis.

■  Der Auftritt: Live zu hören ist er am 8. Februar beim „Wir beaten mehr“-Festival in der O2 World Berlin mit Jan Delay, Xavier Naidoo, Kool Savas, Max Herre, Sido u. v. a. (to)

INTERVIEW THOMAS WINKLER

taz: Marteria, wie fühlt man sich so als Retter des deutschen Rap?

Marteria: Es fühlt sich gut an.

Wie kommt man zu so einer Aufgabe?

Da hatte ich ja selber Schuld: Ich hab gesagt, ich mach das Ding wieder geil.

Und wie schreiten die Rettungsmaßnahmen voran?

Ich merke, dass die Leute das annehmen. Vor anderthalb Jahren habe ich noch vor 200 Leuten gespielt, mittlerweile mache ich das Astra voll.

Warum musste der deutsche Rap gerettet werden?

Mir ist wichtig, dass Rap wieder als Kultur mit Werten wahrgenommen wird. Wenn man den Leuten mit intelligenten Texten was mitgeben kann, was sie positiv und nicht negativ beeinflusst, dann sollte man das auch tun. Ich finde, es gibt nichts Schlimmeres als Leute, die sich für ihre Musik dümmer machen, als sie sind. So was mit ansehen zu müssen, ist furchtbar.

Wer macht sich dümmer, als er ist?

Fast alle. Das Poser- und Proll-Gehabe ist ausgeartet. Klar, jeder Mensch kennt das, dass man mal rumprollen will. Aber im deutschen HipHop ist das Thema leider der Hauptpunkt geworden. Und deshalb wird der HipHop in den Medien auch sehr kritisch behandelt – einerseits zu Recht. Andererseits haben die Medien das doch aufgebaut. Es ist ja nicht so, dass alle HipHopper bescheuert sind und es in den letzten fünf Jahren nur Gangster gegeben hätte. Aber die sind für die Medien viel interessanter und so wurde der Stempel draufgedrückt.

Das war mal anders.

Komplett. Es sollte doch darum gehen, sich kein Image aufzusetzen, sondern davon zu erzählen, was man ist. Wir leben nun mal nicht in New York, hier gibt es keine Ghettos. In Amerika funktioniert das sehr gut, hier in Deutschland hat es mal funktioniert – mit Bushido. Aber den gibt’s nur einmal, so wie es in Amerika nur einen Eminem gibt. Das sind Unikate.

Das Problem ist, das dann alle dasselbe machen wollten. Das war früher anders: Da gab es die lyrischen Stuttgarter, die eher spaßigen Hamburger und die Frankfurter waren die Ghetto-Gangster, weil sie aus einem GI-Umfeld kamen. Das hatte alles seine Berechtigung, und man konnte sich aussuchen, was einem gefällt.

Die meisten Rapper hierzulande behaupten, sie würden sich nur an den US-Originalen orientieren. Das ist bei Ihnen anders?

Absolut. Amerikanischer Rap spielt für mich gar keine Rolle mehr. Früher habe ich natürlich De La Soul oder A Tribe Called Quest gehört. Aber das kann man eh nicht toppen und den Lifestyle hat man auch nicht. Also war es für mich immer wichtig, darüber hinaus zu gucken und zu sehen, was mir musikalisch gefällt – und das war in erster Linie England, Garage, Drum & Bass und Jungle.

Oder Adamo, der auf Ihrem Album gesamplet wird? Seit den 60er Jahren singt er in Deutsch.

Absolut. Adamo war der Größte. Wahnsinnige Sprache, wahnsinniger Style.

Sie sind jetzt 28 Jahre alt, wie kommt man so jung zu Adamo?

Wenn man die alten Plattensammlungen der Eltern durchforscht, stößt man halt auch auf Adamo.

Keine Berührungsängste, nicht mal zum Schlager?

Schlager ist ein Scheißwort, ich stehe halt auf deutsche Texte, ich stehe auf deutsche Songs, ich bin ein Fan der Dreigroschenoper, ich stehe total auf Marlene Dietrich.

Hildegard Knef?

Klar.

Wenn es die ZDF-Hitparade noch gäbe, würden Sie da auftreten?

Wenn sie so wäre wie damals: auf jeden Fall. Das hatte sehr viel Klasse, das hatte Stil.

Dann würden Frauen Ihnen Rosen überreichen.

Ich stell mir das eher vor wie Elvis bei seinem Comeback: Im schwarzen Lederanzug mit 500 Frauen in einem Raum.

Das klingt wie eine Gangsta-Rapper-Fantasie.

Ich bin ja nun auch niemand, der die politische Korrektheit mit Löffeln gefressen hat. Aber es gibt Grundsätze, die ich wichtig finde. Deswegen kann niemand in meiner Band spielen, der Schwule scheiße findet. Deswegen werde ich sogar in der schwulen Community gefeiert.

Ist das so?

Ja, weil ich auf der Platte zwei, drei Mal sage, dass ich kein Problem mit Schwulen habe. Schlimm genug, dass man das ausdrücklich sagen muss. Aber so, wie Rap dargestellt wird, muss man das machen.

Ihre Texte gelten nicht nur inhaltlich als vorbildlich, sondern auch Ihr dichterisches Vermögen wird von Musikkritikern gelobt.

Das ist mir zu hoch gegriffen. Ich schreibe Texte, die andere vielleicht gut finden, aber ich habe keinen großen lyrischen Anspruch. So denke ich nicht. Das, was ich mache, ist keine Kunst. So wie ich schreibe, mit diesen Wortspielen, das ist einfach meine Art von Humor. Ich bin doch kein Dichter.