Ein Stadtteil lebt auf

Die Dortmunder Nordstadt gilt als Problemviertel. Gutes Zusammenleben ist aber möglich. Jüngster Erfolg: Die Grundschule Kleine Kielstraße hat den Deutschen Schulpreis 2006 gewonnen

VON BENJAMIN WASSEN

Sie klingt immer noch glücklich. Bei Schulleiterin Gisela Schultebraucks-Burgkart schwingt auch einen Tag nach der Auszeichnung mit dem Deutschen Schulpreis der Stolz in der Stimme noch mit. „Das zeigt einfach, dass wir mit unserer Schule seit der Gründung 1994 auf dem richtigen Weg sind.“ Damals hätten sie sich gefragt, wie eine gute Schule aussehen müsse, „für die Kinder, die hier aufwachsen“.

„Hier“ ist die Dortmunder Nordstadt. Bis heute ist sie als Problemstadtteil verschrieen. Nachdem in den 1970er Jahren die Kohleförderung in Dortmund zurückgefahren wurde, verarmte die Arbeitersiedlung immer mehr. Heute sind von den rund 54.000 Bewohnern der Nordstadt 26 Prozent arbeitslos. Mehr als 57 Prozent haben einen Migrationshintergrund. „Uns wurde schon in den 80er Jahren bewusst, dass wir hier nur erfolgreich arbeiten können, wenn unsere Anlaufstellen interkulturell besetzt sind“, sagt Reiner Staubach, einer der Gründer des Vereins „Planerladen“. 1982 hatte sich eine Gruppe von Stadtplanungsstudenten zusammen geschlossen, um „anders als die Stadt eine menschengerechte und demokratische Planungskultur zu befördern“.

Das blieben keine leeren Floskeln. Innenhöfe wurden begrünt, Projekte wie die Mietermodernisierung angestoßen. „Dabei renovieren die Mieter ihre Wohnungen selbst und werden dafür gefördert“, erläutert Tülin Kabis-Staubach, Architektin und Vorstandmitglied beim Planerladen. „Uns wurde aber bald bewusst, dass wir nur mit unserem stadtplanerischen Know-how an unsere Grenzen stoßen“, so Staubach. Also haben sie sich breiter aufgestellt, Sozialarbeiter mit ins Boot geholt. Es ging nicht mehr allein um ein gutes Wohnumfeld, sondern auch um Berufsqualifizierung der Menschen. Außerdem wurden drei Jugendfreizeitstätten gegründet.

Aus einem Projekt des Planerladens entstand die Baugesellschaft „GrünBau“. „Sie ist heute mit mehr als 200 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber in der Nordstadt“, sagt Staubach. Unter anderem modernisiert die GrünBau mit obdachlosen Jugendlichen Wohnungen, um ihren so „eine neue Perspektive zu geben. Damit sie auf eigenen Füßen stehen lernen“, so Kabis-Staubach.

Ein anderes Projekt der GrünBau sind die Quartiershausmeister: Mitarbeiter, die sich ähnlich wie ein Hausmeister um Immobilien, um Straßenzüge in der Nordstadt kümmern. Sie halten die Plätze sauber und sind Ansprechpartner für die Bewohner. Bezahlt werden sie mit Geldern aus der Urban-II-Förderung der EU. Noch bis Mitte 2008 fließen insgesamt 28,6 Millionen Euro in die Dortmunder Nordstadt. „Neben solchen Aktionen im Quartiersmanagement versuchen wir auch die lokale Ökonomie zu unterstützen“, erläutert Norbert Deitelhoff von der Projektgruppe Urban II bei der Stadt. Neben der gezielten beruflichen Förderung von Migrantinnen seien zum Beispiel Unternehmerkreise gegründet worden, die auch über das Projekt hinaus Bestand hätten. „Das ist genau die Nachhaltigkeit, die wir uns wünschen, damit die EU-Förderung kein Strohfeuer bleibt,“ so Deitelhoff.

Auch die Grundschule Kleine Kielstraße profitiert von der Urban-II-Förderung. „Wir finanzieren damit einen Teil unserer Elternangebote“, erklärt Schulleiterin Schultebraucks-Burgkart. Neben Deutsch- und Computerkursen gab es Expertengespräche, etwa mit Mitarbeitern der Arge nach Inkrafttreten der Hartz-IV-Gesetze. Die Arbeit mit den Müttern und Vätern ist eine zentrale Stütze im Konzept der Grundschule. So gibt es zu Beginn des Schuljahres immer einen Elternsprechtag. „Und wir nehmen diesen Namen sehr ernst. Bei uns reden die Eltern.“ Ergebnis dieser Gespräche sei ein „Erziehungsvertrag“, in dem festgelegt wird, welche Pflichten die Schule und welche die Eltern haben. Ein Konzept, das offenbar aufgeht.