Wettbüros geht’s an den Kragen

Den neuen Lotto-Staatsvertrag wollen die Ministerpräsidenten heute abnicken – um „Rechtssicherheit herzustellen“. Beides wird nicht klappen. Schleswig-Holstein hat schon mal angekündigt, erst einmal nicht mitzumachen

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Der Rauch vom Vortag erwärmt sich allmählich. So spät am Tag ist es noch gar nicht, aber am Tresen wird schon das erste Bier gezapft, oder ist es das zweite, und an drei Automaten schieben Leute Münzen in den Schlitz.

Männer, alles Männer im mittleren Alter, naja, eher an dessen oberen Rand. Sportwettenterminals? „Klar“, sagt die Dame am Tresen – oder sollte es heißen: Kontor? Ist ja schließlich keine Kneipe, sondern ’ne Spielhalle, mitten in Bremen, im Hauptbahnhof, um genau zu sein, „einfach durchgeh’n“.

Was sich da tippen lässt? „Na alles. Ganz wie Sie wollen.“ Und da leuchten sie schon: Zwei etwa brusthohe Kisten, weißer Monitor, Barhocker davor, Ascher am Rand. Bisschen verborgen, aber leicht zu finden, dafür dass die Dinger verboten sind.

Seit dem Frühjahr befinden sich die Innenminister der Länder im Kreuzzug: Das Sportwettenmonopol des Staates sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden. Es sei denn, es richte sich künftig einzig und allein am Grundsatz der Suchtprävention aus. Also beschlossen die Minister: Wir machen ein Spielsuchtpräventionsmonopol. Heißt: Die staatlichen Lotto-Toto-Leute dürfen weitermachen, wie bisher, nur werben sollen sie nicht. Die privaten Anbieter gehören verfolgt. Und in einem ersten Schritt werden die kleinen Klitschen dichtgemacht.

Das war der Konsens, das fanden auch die Ministerpräsidenten gut, und schließlich habe man „für Rechtssicherheit sorgen“ wollen, wie der Bremer Senatssprecher Klaus Schloesser sagt. Und das gehe am besten mit dem neuen Lotto-Staatsvertrag, über den heute die Ministerpräsidentenkonferenz berät.

Wer darauf wettet, dass die Länder-Chefs sich in dieser Sache heute einigen, erzielt allerdings eine prima Quote: Schleswig-Holstein hat schon ein Nein angekündigt, Baden-Württemberg will möglicherweise Ja sagen, aber erst im kommenden Jahr, und daran, dass ein nicht von allen 16 Ländern verabschiedeter Staatsvertrag gültig sein kann, gibt es erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel: Das mit der Rechtssicherheit wird schwerer als gedacht. Schon bei den kleinen Klitschen.

Der Mann am Nachbarterminal hat Erfahrung. „Du musst da drücken“, sagt er, tipp,tipp, ah, ein Touchscreen, und jetzt poppt tatsächlich das Sportarten-Tableau auf. „Die meisten machen immer nur Fußball.“ Er nicht, und die Möglichkeiten reichen ja auch viel weiter: Eishockey, Beach-Volleyball, Wintersport, Basketball, ein Panorama athletischer Vielseitigkeit, er hat auch schon mal gewonnen, „letzte Woche, 300 Euro, für zehn Euro Einsatz“, und so oft spiele er ja nun auch nicht. „Manchmal klappt’s.“ Heute nicht: Als er den Zettel, der an einen Kassenbon erinnert, über den Scanner zieht, links oben am Gerät, erscheint auf dem Schirm ein Schriftzug: Kein Gewinn, schwarz auf weiß.

„Wir sind doch nur ein kleiner Familienbetrieb“, sagt die Frau am Kontor. Fragen bitte nur an den Hersteller der Automaten, und ob bei ihnen weitergespielt werden dürfe, „das ist alles noch offen“. Ist es nicht: Das Stadtamt hat die Verfügungen ausgestellt, und die Zahl der Wettbüros sei auch schon „deutlich zurück gegangen“, heißt es dort. „So an die 15“ seien noch offen, so der stellvertretende Leiter Joachim Becker, es gebe halt die üblichen Gerichtsverfahren, mitunter werde da „juristisch sehr tiefgründig argumentiert“, das müsse er anerkennen. Nicht beanstandet würden die anderen Glücksspielautomaten: „Das ist eine rein gewerberechtliche Frage.“

Der neue Lotto-Staatsvertrag, der für Spielsuchtprävention sorgen soll, verliert dazu kein Wort, und die neue Gewerbeordnung erlaubt künftig, zwei Automaten mehr als früher aufzustellen. Das passt ja ausgezeichnet: Braucht sich also niemand um den kleinen Familienbetrieb im Bremer Hauptbahnhof zu sorgen.

Vielleicht aber um die Spieler. Gerade erst hat der Bremer Drogenforscher Heino Stöver eine Studie vorgelegt: 8.000 Menschen wurden befragt – ein repräsentativer Querschnitt. Das Ergebnis: Bestimmte Formen von Sportwetten können ein pathologisches Verhalten auslösen – die seit 1912 erlaubten Pferdewetten zum Beispiel. Auch das Casino-Spiel sei bedenklich. Lotterien aber, um die es im Staatsvertrag gehen soll, sind Stöver zufolge „weder Auslöser noch Verstärker einer Spielsucht“. Spielautomaten hingegen „bergen ein hohes Suchtpotenzial“.