Sürücü-Verfahren zieht sich

Auch zwei Jahre nach dem Mord an Hatun Sürücu ist noch keine Entscheidung über das Sorgerecht für den Sohn gefallen. Zivilgericht: Kindeswohl steht im Vordergrund

Über das Sorgerecht für den Sohn der von einem Bruder ermordeten Hatun Sürücü ist fast zwei Jahre nach der Tat noch keine Entscheidung gefallen. Das Familiengericht Tempelhof-Kreuzberg prüft weiterhin den Antrag einer Schwester auf das Sorgerecht. Die Sprecherin der Berliner Zivilgerichte, Katrin-Elena Schönberg, sagte gestern: „Das Verfahren zieht sich hin. Es ist eine wichtige Entscheidung. Gut kommt hier vor schnell.“ Im Vordergrund stehe das Kindeswohl. Von großer Bedeutung dürfte die Prüfung eines Berichts des Jugendamts Tempelhof sein. Einzelheiten dazu wurden nicht bekannt gegeben.

Hatun Sürücü war Anfang Februar 2005 auf offener Straße an einer Bushaltestelle in Tempelhof mit drei Schüssen aus nächster Nähe getötet worden. Todesschütze bei dem so genannten Ehrenmord war ihr jüngster Bruder, der im April dieses Jahres zu einer Jugendstrafe von neun Jahren und drei Monaten verurteilt worden war. Seine beiden älteren ebenfalls angeklagten Brüder wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Der Fall und der spätere Antrag auf Übertragung des Sorgerechts für den Sohn der Ermordeten an die Familie hatte großes Aufsehen erregt.

Der Sohn von Hatun Sürücü lebt jetzt bis zu einer Gerichtsentscheidung bei einer Pflegefamilie. Gerichtssprecherin Schönberg sagte, es sei klar, dass der Fall „in seiner Bedeutung weit über einen normalen Familien- und Sorgerechtsfall hinausgeht“. Deshalb müssten für die Entscheidung auch alle notwendigen Unterlagen und sonstigen Voraussetzungen verlässlich vorliegen. Die zuständige Jugendstadträtin Angelika Schöttler hatte Ende September betont, das Jugendamt des Bezirks müsse „hier besonders intensiv vorgehen“. Es müsse ausfindig gemacht werden, „was der Wille der Mutter gewesen ist oder gewesen sein könnte“. Die Stadträtin war für eine aktuelle Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. dpa