Afghanistan: Attentat auf Gouverneur

Selbstmordanschlag in Helmand fordert acht Tote. Gouverneur soll kurz vor dem Attentat entlassen worden sein

DELHI taz ■ Bei einem Selbstmordanschlag auf den Gouverneur der afghanischen Provinz Helmand sind gestern neben dem Täter sechs Polizisten und zwei Zivilisten getötet worden; acht Beamte wurden verletzt. Der Attentäter drang bis in den Hof des Gouverneursamts im Provinzhauptort Laschkar Gah vor. Als er dort angehalten wurde, zündete er seine Sprengladung. Gouverneur Mohammed Daud, auf den bereits eine Reihe von Anschlägen verübt worden sind, blieb unverletzt.

Helmand – wo ein Drittel der weltweiten Opiumproduktion herkommt – ist eine der am stärksten umkämpften Regionen Afghanistans. Vor einer Woche erst mussten sich am Fluss Helmand britische Truppen nach stundenlangen Gefechten mit den Taliban zurückziehen. Deren massives Auftreten und die zunehmenden Selbstmordanschläge werden von der afghanischen Regierung und vielen Beobachtern mit der Politik des Nachbarn Pakistan in Verbindung gebracht. Sie werfen Islamabad vor, mit einer Appeasementpolitik den islamistischen Gruppierungen in den Stammesgebieten die Kontrolle über die strategisch wichtigen Grenzgebiete zu überlassen.

Ein neuer Bericht der International Crisis Group erhärtet die Vorwürfe. Die Abkommen, welche die pakistanische Regierung mit lokalen Stämmen von Süd- und Nordwasiristan abgeschlossen habe, hätten dazu geführt, dass die Armee die Kontrolle über diese Grenzgebiete praktisch den Taliban überlassen habe. Obwohl die Stämme versprochen hätten, keine Grenzüberschreitungen zu dulden, hätten diese massiv zugenommen.

Der jüngste Anschlag auf den Gouverneur von Helmand, Mohammed Daud, ereignete sich offenbar kurz nach dessen Entlassung. Die Times hatte berichtet, Daud sei bereits am vergangenen Donnerstag von Präsident Karsai nach Kabul beordert worden und Karsai habe ihm dort seine Entlassung mitgeteilt. Wie ein Reporter des Independent gestern aus Laschkar Gah meldete, sei der Gouverneur jedoch am Montag zurück in seinem Büro gewesen. Die Briten hatten sich nach Angaben des Blattes dafür eingesetzt, das Daud im Amt bleibe, da er als „sauber“ gilt und eine zentrale Rolle in britischen Plänen zur Bekämpfung des Heroinschmuggels spielt. Befürchtet wurde, dass Daud im Falle seiner Entlassung durch seinen Stellvertreter ersetzt wird, dem vorgeworfen wird, selbst in den Drogenhandel verstrickt zu sein.

Den Amerikanern hingegen war Daud seit längerem ein Dorn im Auge. Sie werfen ihm eine Politik der Annäherung an die Taliban vor. Auf Dauds Betreiben waren im Oktober Abkommen britischer Nato-Truppen mit lokalen Stämmen zustande gekommen. Diese hatten im Distrikt Musa Qala zum Abzug der Nato-Einheiten aus drei Stützpunkten geführt. Für Daud war das Abkommen ein Modell, das nach dem Vorbild Pakistans in Wasiristan auf einen Waffenstillstand mit den Taliban hinauslaufen würde. Kritiker sahen jedoch nach dem Abkommen die Taliban auf dem Vormarsch und erklärten die Strategie – wie im Falle Pakistans – für gescheitert.

BERNARD IMHASLY