Die Düsseldorfer „Büroklammer“ gibt auf

Schon mal von Jochen Dieckmann gehört? Bis gestern war er SPD-Chef in Nordrhein-Westfalen. Jetzt soll die Fraktionschefin ran – und dem Landesverband im Kampf gegen den übermächtigen CDU-Ministerpräsidenten Rüttgers wieder Profil verleihen

AUS DÜSSELDORFMARTIN TEIGELER

Zum ersten Mal hat er es auf die ersten Seiten der Regionalpresse geschafft: NRW-SPD-Chef Jochen Dieckmann war gestern die Titelgeschichte der meisten Zeitungen an Rhein und Ruhr. Dumm für Dieckmann – denn der Anlass war sein Rücktritt. Nach nur eineinhalb Jahren als Vorsitzender des größten SPD-Landesverbands hört der 59-jährige Jurist auf mit der Politik und wechselt zu einer Bonner Anwaltskanzlei. Er wolle in seinem Alter noch einmal eine „neue berufliche Herausforderung“ annehmen, sagte Dieckmann gestern in Düsseldorf. Zudem sei es Zeit, gegen CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers „ein Gesicht“ zu präsentieren. Die bisherige Fraktionsvorsitzende Hannelore Kraft soll auch Parteichefin werden – und Spitzenkandidatin für die Landtagswahl 2010.

Dem Ehemann der Bonner SPD-Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann wurde diese Aufgabe in der Partei nicht zugetraut. Leise, manchmal steif und stets von ziemlich unsozialdemokratischer Höflichkeit war Jochen Dieckmann der selbst erklärte „Moderator“ einer NRW-SPD, die immer noch die Wunden ihrer Wahlschlappe vom 22. Mai 2005 leckt. „Er hat sich ja selbst als Übergangsvorsitzender gesehen“, bedauerte der junge Kölner SPD-Chef und Landesvorstand Jochen Ott. „Es ist kein Verlust“, sagte hingegen ein nordrhein-westfälischer Bundestagsabgeordneter aus dem linken Parteiflügel. SPD-intern wurde Dieckmann als „lebende Büroklammer“ verspottet.

„Inhaltlich haben wir in diesem Jahr viel erreicht“, hielt Dieckmann dem gestern entgegen. Nach dem Machtverlust sei die Landes-SPD mit eigenen Konzepten zur Unternehmensteuerreform oder dem dritten Arbeitsmarkt innerhalb der Bundespartei vorgeprescht.

Allerdings spielt CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers in einer anderen Liga. Mit seinem Image als sozialer Landesvater und christdemokratischer Parteirebell steht er laut Umfragen gut da im ehemaligen SPD-Stammland. Dieckmann dagegen blieb unpopulär: Bereits im Sommer ergab eine Forsa-Umfrage, dass 83 Prozent der NRW-Bürger keinen einzigen SPD-Landespolitiker kennen. Für die Befragten war Rüttgers der beliebteste Sozialdemokrat.

Mehr als ein Jahr nach dem Machtverlust sei die Exregierungspartei dabei, ihre Rolle als Opposition zu klären, analysiert der Parteienforscher Karl-Rudolf Korte von der Uni Duisburg-Essen. Das sei besonders schwierig „angesichts der Ministerpräsidenten-Dominanz in der Ministerpräsidenten-Demokratie“.

Mit dem Abgang Dieckmanns setzt sich auch die Auflösung der im Mai 2005 abgewählten rot-grünen Landesregierung fort. Zuvor war Exenergieminister Axel Horstmann zum Energiekonzern EnBW, Exgesundheitsministerin Birgit Fischer zur Barmer Ersatzkasse und der langjährige grüne Sportminister Michael Vesper zum Deutschen Olympischen Sportbund gewechselt. Dass Dieckmann, früher auch einige Jahre Ressortchef für Justiz, nun bei einer Anwaltskanzlei anfängt, erscheint folgerichtig.