ES IST HALT TEUER, DIE STRÄNDE SAUBER ZU HALTEN: SO RECHTFERTIGEN BADEORTE IHRE TAXEN UND ABGABEN. SCHÖN UND GUT – ABER WARUM VERLANGT DANN, SAGEN WIR: HAMBURG KEINEN EINTRITT FÜR SEINE PARKS?
: Mit der Leiter über den Zaun

Foto: Lou Probsthayn

KATRIN SEDDIG

An Pfingsten war ganz Norddeutschland entweder an der Ostsee oder an der Nordsee. Ich war vor Kurzem auch am Meer, ich hatte die schöne Idee, mit den Lieben an den Ostseestränden entlangzuwandern. Ich hatte dabei eines nicht bedacht: Das An-den-Stränden-Entlangwandern kostet.

Wir hatten den Timmendorfer Strand eben gerade betreten, da stürzten ein Mann und eine Frau auf uns zu und verlangten unsere Kurtaxenbelege zu sehen, und da half auch nicht der Einwand, dass wir uns nicht aufhalten, sondern wandern wollten – wir hielten uns ja schon auf, wenn auch gerade eben zwei Minuten. Und da wir keine Kurtaxenbelege vorweisen konnten, mussten wir nicht nur die Kurtaxe nachbezahlen, wir mussten auch Strafe zahlen und das kann einem schon ein bisschen auf die Wanderlust schlagen, wenn man zum Strafezahler wird.

Nun ist es so, dass, wenn man an den Stränden entlangwandert und dabei tatsächlich die Strände als Weg benutzt, dass man dabei von einem Kurtaxengebiet in das Nächste gerät, mancherorts heißt es auch nur Strandabgabe, aber in der Folge bleibt es gleich und wenn man sich da nicht rasch durchschummelt, muss das ein teures Strandwandern werden. Die norddeutschen Gemeinden erheben fast alle für die Benutzung ihres Strandes einen Eintrittspreis und – im Falle der nicht rechtzeitigen Lösung – eine Strafe. Wenn ich am Strand entlangwandere und einen Strand betrete, bevor ich ein Kassenhäuschen betrete, werde ich ruck, zuck zum Strafeschuldner.

Die Argumentation ist ja die, dass die Gemeinden sich um die Strände kümmern, sie reinigen und eventuell Toiletten zur Verfügung stellen; das koste Geld und das müsse über die Kurabgabe bereitgestellt werden. Das leuchtet mir ein, aber dennoch, kann es sein, dass für Meer und Strand Eintritt gezahlt werden muss? Gehört das nicht uns allen? Verdient eine Timmendorfer Gemeinde nicht am Tourismus genug? Sind nicht ihre Bars und Restaurants, ihre Hotels und Pensionen voll? Und nimmt irgend eine andere Gemeinde Eintritt für zum Beispiel ihren Stadtpark? Nimmt Hamburg Eintritt für ihre Elbe und ihre Alster? Die Elbe und die Alster und insbesondere der Stadtpark müssen auch von Müll gereinigt werden, insbesondere der Stadtpark ist voll von Müll nach einem Pfingstwochenende wie diesem.

In Hooksiel in Friesland kämpft die Initiative „Freie Bürger für freie Strände“ gegen die Gebührenpflicht an den Stränden in Niedersachsen. Hier waren große Strandabschnitte gar mit Stacheldraht abgetrennt, von dem einiger, nach langem Kampf der Initiative, wieder abgerissen worden ist. Frei ist die Strandbenutzung immer noch nicht. Am Pfingstmontag nun traf man sich, wie jedes Jahr, zu einer Demonstration und stieg mit Leitern über den Zaun: Widerspruch, ziviler Ungehorsam, und es geht vielleicht gar nicht nur um das Geld.

Ich verstehe die Gemeinden, die ihre Kosten gedeckt haben wollen, ich verstehe, dass es nötig ist, den Dreck wegzuschaffen, den die ganzen Idioten hinterlassen und leider gibt es zu viele Idioten und leider wird auch an der Elbe mangels Toiletten immer in die Büsche gepinkelt, vor den öffentlichen Toiletten im Stadtpark in Hamburg zum Beispiel bilden sich lange Schlangen und am Timmendorfer Strand dagegen ist es sauber, es stehen jede Menge Toiletten zur Verfügung und, klar: Wäre man nicht bereit, dafür auch ein bisschen was zu zahlen?

Ich sage dennoch, es ist nicht richtig, dass Strände umzäunt sind, dass Eintritt für den Zugang zum Meer genommen wird. Es gibt Dinge, die gehören niemandem oder eben allen. Der Wald, die Luft, die Sonne, ein See, ein Moor, die Berge und das Meer. Niemand sollte das Recht haben, davor einen Zaun ziehen zu können und Eintritt und gar Strafen zu kassieren. Katrin Seddig ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg, ihr jüngstes Buch, „Eheroman“, erschien 2012 bei Rowohlt. Am 19. Juni liest sie im Literaturhaus Hamburg aus ihrer Erster-Weltkriegs-Quellenrecherche „Schwarze Schatten“