Luxemburgs Spuren

Krisen, wohin man blickt

Von Helmut Höge

Langsam trägt die Basisarbeit der Parteien PDS/Linke und DKP Früchte: Auf der alljährlich von der Jungen Welt veranstalteten Heerschau „Rosa-Luxemburg-Konferenz“ war die Nachwendegeneration diesmal gut vertreten. Noch 2000 wirkte die „internationale Veranstaltung“ wie ein Vertriebenentreffen älterer Männer in grauen Jacken.

Dazu trugen auch die Referenten bei: Zumeist Funktionäre aus kommunistischen Parteien, die Staatspolitiker waren oder werden wollten. Wenn die Veranstalter doch mal einen Autonomen aufs Podium setzten, kam das im Publikum gar nicht gut an. Der Rosa-Luxemburg-Kongress ist noch immer eine Gefühlsveranstaltung, auf der die richtige Gesinnung beklatscht wird – keine brillanten („postmodernen“) Argumentationen. Und am Schluss des straff organisierten Kongresses, der stets vom taz-Theaterkritiker „Dr. Seltsam“ als „Radio-Show“ moderiert wird, singt man im Beisein von Egon Krenz die Internationale.

Schön authentisch

Auf dem diesjährigen „Meeting“ der Kommis am Wochenende erfreuten sich die wenigen Westantiautoritären vor allem an den klaren Gedanken der freidenkenden Referenten Moshe Zuckermann, Soziologe aus Tel Aviv, und Gaspar Tamas, Philosoph aus Budapest. Zuckermann sprach über die Institutionalisierung von „Alltagsrassismen“ in Israel; Gaspar fragte sich, ob eine „Verteidigung der bürgerlichen Rechte“ (wie Pressefreiheit) diese „Scheißgesellschaft“ nicht legitimiere? Schon ihre Stimme klang „authentisch“.

Das war auch bei den „Statements“ der Bahn-Betriebsrätin Katrin Dornheim und der Ex-Terroristin Inge Viett auf dem Abschlussplenum der Fall. Letztere hatte einst – notgedrungen, weil zur Fahndung ausgeschrieben – ihre verwildernde Westsozialisation mit einer disziplinierenden Ost-Betriebszugehörigkeit komplettiert. Auf dem Kongress konkretisierte sie nun das zuvor von Gesine Lötzsch aufgeworfene „K-Wort“ (Kommunismus). Die Linkenvorsitzende wurde dafür auch parteiintern arg gescholten. Die einstige Untergrundaktivistin Viett entwarf nun schwungvoll eine neue revolutionäre Organisation mit „klandestinem“ Ableger.

Ich erinnerte mich an die Schülerstreiks in Bremen 1967, wo unser wichtigster Mann, im Vertrauen darauf, dass die revolutionären Kämpfe zunehmen und die Versorgungslage in der Stadt prekär werden könnte, überall Rotweindepots in den Wäldern der Umgebung anlegte. Später taten es ihm die RAF-Genossen mit ihren erbeuteten Waffen nach. Es half beide Male nichts: Die Klassenkämpfe flauten ab – in aller Welt. Und das war auch auf der 16. Luxemburg-Konferenz wieder das eigentliche Thema: der Stand der Dinge, die Kräfte des Gegners, das eigene Gewicht – nicht zuletzt der gedanklichen Anstrengungen. Die einen sahen den Neoliberalismus schon fast zu Kreuze kriechen, die anderen die internationale Linke so gut wie am Boden. „Krisen“, wohin man blickte.

In aller Unschuld wehrte sich die Referentin der „Radikalen“ – Inge Viett – gegen den Einwand eines Kritikers, der ihr politisch gekommen war, mit der Frage: „Ist das, was moralisch legitim ist, nicht auch politisch legitim?“ Sie dachte dabei unter anderem an das Abfackeln (statt Abwickeln) von Bundeswehrzeug. Und hatte dabei eine revolutionäre Kollektividentität im Sinn, bei der das Private politisch ist und umgekehrt. Was nichts anderes ist als die kommunistische Utopie, die freilich in den jetzigen Restaurationszeiten – „neofeudal“ nennt sie Mark Terkessidis in der Jungen Welt – nur noch „hübsch“ (und „richtig“) klingt.

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