: Kamera-Blick ins Wohnzimmer verboten
Anwohnerin erstreitet Rechtsschutz gegen Videoüberwachung auf der Reeperbahn. Trotzdem erwägt sie jetzt eine Verfassungsbeschwerde. Polizisten schalteten Bildschirm mehrfach ohne richterliche Erlaubnis frei
Die Polizei darf mit ihren Überwachungskameras keine Wohnungen filmen. Wie das Oberverwaltungsgericht jetzt im Fall einer Anwohnerin der Reeperbahn entschieden hat, würde damit das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung verletzt. Die Kamera müsse stets schwarz geschaltet werden, wenn sie über die Fenster der Wohnung hinweg schwenke. Auch eine Freischaltung im Falle einer bedrohlichen Situation sei unzulässig.
Wie berichtet, überwacht die Polizei seit März mit zwölf Videokameras die Reeperbahn. Eine der Kameras blickt beim Hin- und Herschwenken immer wieder in die Wohnung der Klägerin. Die Frau fühlt sich beeinträchtigt, weil sie nicht erkennen kann, wann das Kamerabild zu sehen ist, und sie sich deshalb ständig beobachtet fühlt. Der Datenschutzbeauftragte Hartmut Lubomierski hatte seine Zustimmung zum Aufstellen der Kamera damit gerechtfertigt, dass der mit der Kamera verbundene Bildschirm schwarz wird, sobald die Wohnung im Fokus ist.
Das Gericht geht davon aus, dass Polizisten fünf- bis sechsmal diese Schwarzschaltung aufgehoben haben, um einer möglichen Gefahr zu begegnen. Sie haben das aber nicht nachträglich von einem Richter genehmigen lassen, wie es das Grundgesetz vorschreibt. In ihrer Dienstanweisung war dieser „Richtervorbehalt“ nicht vorgesehen. Das Gericht hat es den Polizisten deshalb einstweilen verboten, den Bildschirm frei zu schalten.
Der Anwalt der Klägerin, Dirk Audörsch, bezeichnete die einstweilige Anordnung als richtig. „Die Entscheidung ist aber nicht weitgehend genug“, schränkte er ein. Nach wie vor könne seine Mandantin nicht erkennen, ob sie nicht doch von der Polizei beobachtet werde. Sie fühle sich „weiterhin stark verunsichert“ und trage sich mit dem Gedanken, eine Verfassungsbeschwerde zu erheben.
Nach einer Statistik des Senats ist die Gewalt in St. Pauli im ersten Vierteljahr nach dem Einschalten der Kameras weiter gestiegen. Gernot Knödler