leserinnenbriefe
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Klar, das kostet Geld

■ betr.: „Der Bedarf wird unglaublich steigen“, taz vom 5. 1. 11

Erschreckend ist, dass über Berufe und ihre Professionalität wie die Altenpflege und die Gesundheits- und Krankenpflege, in denen schon immer 95 % Frauen arbeiten, zwei Männer (Philipp Rösler, Arzt, und Jürgen Gohde, Theologe), die von Pflege keine Ahnung haben, sich anmaßen, die richtige Richtung vorgeben zu können. Diese Form des Patriarchats ist abstoßend.

Herr Gohde baut nach wie vor auf ehrenamtliche Tätigkeit. Diese wird meist von Ehefrauen und Töchtern geleistet. Darauf zu bauen zeigt, welchen Stellenwert die Pflege von Menschen bei einem großen Teil der Bevölkerung hat. Wenn unsere Gesellschaft tatsächlich ehrlich auf einer ganzheitlichen Pflege für pflegebedürftige Menschen Wert legt, dann sollten die Arbeitsbedingungen in der Pflege verändert werden. So, dass professionelle Pflegekräfte ihren erlernten Beruf nicht nach kurzer Zeit aufgeben müssen, da die körperliche Arbeitsbelastung in der Praxis zu hoch und der psychische Stress zu stark ist. Pflegende wollen zu der somatischen Pflege auch mit den ihnen anvertrauten Patienten oder Bewohnern kommunizieren und ihre Wünsche und Bedürfnisse erfahren, sie wollen Trost spenden und sich zusammen freuen – Stichwort „ganzheitlich“. Die Zeit dafür hat man ihnen schon lange genommen.

Es gibt viele qualifizierte Pflegekräfte mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung in Deutschland. Holen wir sie doch zu den Patienten und Bewohnern zurück. Bessere Arbeitsbedingungen durch mehr professionelles Personal vor Ort, eine Wertschätzung ihrer Tätigkeit durch ein höheres Gehalt und gesellschaftliche Anerkennung (Pflegen kann nicht jeder!) würden helfen.

Einen wertvollen Beitrag leisten schon immer und auch heute noch pflegende Familienangehörige. Da heute mehr Frauen berufstätig sind, ist es nicht mehr so einfach, pflegebedürftige Familienangehörige und die Berufstätigkeit unter einen Hut zu bringen. Mein Vorschlag ist, hier ein Pendant zur Elternzeit mit Elterngeld zu schaffen. Klar, das kostet Geld. Doch bei der Banken- und Automobilkrise sprudeln die Steuermilliarden ja immer noch.

Wenn wir nicht in einer völlig sozial abgewirtschafteten Republik leben wollen, sondern sozial verträglich und menschlich miteinander umgehen wollen, egal welches Handicap jemand hat, dann sollten wir uns eine menschenwürdige Pflege leisten.

CHRISTINE MAYER-GLASER, Bad Herrenalb

Das tut weh

■ betr.: „Der Alltag ist der Skandal“, taz vom 6. 1. 11

Hilal Sezgin spannt auf der Titelseite einen winzigen Bogen von der Nahrungsmittelindustrie über die Forderung nach mehr Kontrolle bei den Futtermischern zu den ahnungslosen und gutgläubigen Öko-Käufern, die „allerlei Gütesiegeln“ vertrauen. Zwei Drittel des Schreibwerks widmen sich dann – ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem neusten Skandal – der Frage nach der Haltung der Hühner in Öko-Großbetrieben.

Was mich so erstaunt: Es geht hier offensichtlich darum, die ökologische Landwirtschaft und ihre Kunden als falsch und verlogen darzustellen. Jedem halbwegs aufmerksamen Käufer dürfte ja auch klar sein, dass das europäische Ökosiegel kein Garant für vollumfassenden Umwelt- und Tierschutz ist. Das ist aber noch lange kein Grund, Zehntausende Menschen zu beleidigen, die auf ökologischen Familien- und Gemeinschaftshöfen vorbildliche Arbeit leisten, die weit über die EU-Siegel-Anforderungen hinausgeht. Das tut weh, taz. KERSTIN KRUG, Herdwangen

Grundsätzlich falsches Hilfesystem

■ betr.: „SPD: ‚Von der Leyen blockiert‘“, taz vom 6. 1. 11

Wer wen blockiert, ist in der Dauermisere für die SGB-II-Leistungsbeziehenden, inzwischen meist – auch im Zitat und Interview von Frau Schwesig – Hartz-IV-Empfänger genannt, eher drittrangig. Vor der Einführung des geltenden SGB II habe ich in Köln keine Menschen gesehen, die in Mülleimern wühlten. Auch die Leiharbeit war weniger verbreitet. Seltsamerweise wird inzwischen in der Regel nur noch bei Leiharbeit von Arbeit statt von Job gesprochen. Schul- und Bildungsreformen waren schon lange in der Diskussion und SchulsozialarbeiterInnen gab es als – im Vergleich mit den LehrerInnengehältern preiswertes – Entlastungs- und Kontrollinstrument in Haupt- und Gesamtschulen. Weder „Schulsozialarbeit“ noch „ordentlich berechnete“ Regelsätze schaffen Qualifikationen für Berufe, Arbeitsplätze oder bei fehlenden Erwerbsmöglichkeiten bessere Bedingungen für ein würdiges Leben aller. Im grundsätzlich falschen Hilfesystem wird es kein Ende der gegenseitigen Blockade- oder Taktikvorwürfe geben. Eine Lösung der Misere scheint mir nicht in Sicht. ROLF SCHEYER, Köln-Mülheim

Eigentum verpflichtet

■ betr.: „CSU will Linkspartei gern abschaffen“, taz vom 7. 1. 11

Da wollen also die Herren Generalsekretäre von CDU und CSU eine Partei wegen Verfassungswidrigkeit verbieten lassen, weil es eine von deren Abgeordneten gewagt hat, das Wort „Kommunismus“ in den Mund zu nehmen. Kommunismus ist im Grundgesetz nirgends verboten, Vernachlässigung der Sozialbindung des Eigentums dagegen schon! Und das Vernachlässigen dieser Sozialbindung ist in dieser Republik, in den letzten 20 Jahren in immer stärkerem Maße, tagtägliche Praxis, die, nicht nur von Herren aus dem derzeitigen Regierungslager, niemals auch nur thematisiert wird.

ORTWIN ZEITLINGER, Berlin