Die Justizministerin will die Religionsfreiheit einschränken
: Ein Symbol der Ausgrenzung

Will Brigitte Zypries einen Kulturkampf entfachen? Die Justizministerin schlägt vor, das Grundrecht der Religionsfreiheit stärker einzuschränken. Damit will sie verhindern, dass immer mehr Menschen versuchen, „sich durch den Hinweis auf ihre Religion von der Geltung der allgemeinen Gesetze zu befreien“. Zum einen sollen deshalb nur noch religiöse Handlungen im engeren Sinne geschützt werden, nicht aber die wirtschaftliche Tätigkeit von Kirchen oder das Abmelden von Mädchen aus dem Sportunterricht. Zum anderen kritisiert Zypries, dass die Religionsfreiheit im Grundgesetz bisher keinem Gesetzesvorbehalt unterliegt.

Schon das von Zypries angedeutete Problem existiert nicht wirklich: Der Staat ist nicht unregierbar, weil religiöse Eiferer tun und lassen können, was sie wollen. Auch heute kann die Religionsfreiheit eingeschränkt werden, wenn konkurrierende Verfassungswerte dies erfordern. Deshalb ist die Genitalverstümmelung von Mädchen verboten, auch wenn sie religiös begründet wird. Selbst Kopftuchverbote für Lehrerinnen sind möglich, um Konflikte an Schulen zu vermeiden. Wo der Staat eingreifen will, kann er dies auch heute schon, er muss es nur gut begründen.

Die Beschränkung der Religionsfreiheit im Grundgesetz hätte also vor allem symbolischen Charakter. Und das Symbol wäre schädlich, weil der Zeitpunkt unpassend ist. Wer Religion gerade dann zurückdrängen will, wenn mit dem Islam eine ungewohnte und in vielem umstrittene Glaubensrichtung in die Gesellschaft tritt, der schafft damit faktisch ein Signal der Ausgrenzung, auch wenn Zypries es sicher nicht so gemeint hat.

Richtig wäre stattdessen, die zweifellos bestehenden Konflikte als Chance der Integration zu begreifen. Mit der Religionsfreiheit stellt der Verfassungsstaat ein starkes individuelles Grundrecht zur Verfügung, das jeden Einzelnen mit seinem Glauben und seinen Überzeugungen ernst nimmt und nicht vorschnell einer Staatsräson oder ethischen Mehrheitspositionen unterordnet. Warum sollte sich nicht daraus auch bei stark religiös geprägten Einwanderern eine Art Verfassungspatriotismus entwickeln. CHRISTIAN RATH