Die Vielfalt des Sensiblen

Sensibel zu sein, denkt man leichthin, ist Grundvoraussetzung für die Anfertigung von Kunst. Doch beweist gerade die Musik, beispielsweise in Form von Gangsta-Rap oder Death Metal, dass Sensibilität dazu nicht notgedrungen nötig ist. Und jenseits davon gibt es dann sensibel und sensibel. Sensibilität ist dabei nicht immer gleich weinerlich, sondern bisweilen auch kämpferisch.

Mark Forster gehört eindeutig zur ersten Kategorie. Der aus der Pfalz stammende Wahlberliner hat Ende der nuller Jahre Kurt Krömer als Pianist und Sidekick gedient, aber dessen Bösartigkeit scheint nicht abgefärbt zu haben auf seinen wohltemperierten Deutsch-Pop. Auf seinem zweiten Album „Bauch und Kopf“ besingt der 30-Jährige die „Königin Schwermut“, das Spannungsverhältnis zwischen Verstand und Instinkt, und natürlich jederzeit und immerzu die gute alte Liebe. Wie groß diese Liebe ist, merkt man daran, dass „alle Lichter an“ sind, wenn die Geliebte auftaucht, und der Verliebte „nicht mehr schlafen kann“. Das darf sich dann auch noch reimen. Dazu tröten Trompeten, wenn es weihevoll wird, oder klimpert ein Klavier, wenn es besinnlich zu sein hat. Auch die Background-Chöre sind genau da, wo sie immer sind, die Melodien beschreiben exakt die erwartbaren Bögen, und im „Interlude“ tropft der Schmalz aus den Streichern. Das ist professionell gemacht, aber Forster lässt sich widerspruchslos einordnen in die Riege der Jungen Milden. Zwar singt er auch mal „am Arsch“, aber ein harter Hund ist er nicht. Da hilft auch kein Gastauftritt von Sido, der für die Single „Au Revoir“ ein paar herrlich sinnfreie Zeilen beisteuerte.

Sinnfrei darf es bei Yok nie zugehen. Der Mann, einst als Quetschenpaua bekannt, ist eine Ikone der linken Szene, fährt tapfer Taxi, um am Wochenende bei der Demo mit seinem Akkordeon aufzutauchen. Auf seinem neuen Album „Helsingborg“ singt er Lieder über, aus und für die Szene, zum großen Teil live eingespielt im Supamolly, zum Teil im Studio aufgenommen, mal mit Schifferklavier, mal mit einer fiesen Gitarre und selten sogar mit billigen Drum-Beats. Es sind Lieder übers Dasein als Anarchist, über die Zimmerdecke, die einem auf den Kopf fällt, über die Angst und den Hass, über Lohnarbeit und Doppelmoral, übers Saufen, Besserwissen, Zweifeln und all die andere Scheiße in der Welt. Lieder, die trotz aller kämpferischer Attitüde eben auch ziemlich sensibel sind.

THOMAS WINKLER

■ Mark Forster: „Bauch und Kopf“ (Four Music/Sony)

■ Yok: „Helsingborg“ (Ab Dafür! Records)