schaut sich in den Galerien von Berlin um

NOEMI MOLITOR

Führen Kunstobjekte ein Eigenleben oder werden sie erst durch BetrachterInnen zum Leben erweckt? Aktivieren sie ihre Wirkkraft erst durch menschlichen Kontakt, durch den Kontext? Mag sein, doch es gibt immer wieder Momente, in denen die Objekte uns einen Schritt voraus sind und machen, was sie wollen. Laut dem Kunstkritiker James Elkins „starren die Objekte zurück“. Wir müssen uns nicht nur fragen, was wir von ihnen, sondern auch, was sie von uns wollen, sagt der Kunsthistoriker W. J. T. Mitchell. Es gibt also Arbeiten, die selbst aktiv werden. Mit ihren skulpturalen Sound-Installationen bietet Sophie Erlund in der Galerie PSM zwar den künstlerisch-technischen Rahmen, welcher Sound aber entsteht, hängt davon ab, wie groß die Wassertropfen sind, die willkürlich auf eine Platte fallen und per Amplifier verstärkt werden. Dazu kommen Sensoren, die unter Erlunds abstrakten Gebäuden versteckt sind und beim Vorbeigehen weitere Töne aktivieren. Für die Künstlerin symbolisieren diese „Gedanken“-Gebäude die Unmöglichkeit, die Realität rational zu erfassen. Also Schuhe aus, über das Finnland-Moos wandern, und in die jeweilige Komposition des Tages eintauchen. (Bis 26. 6., Köpenicker Str. 126) Auch Petrit Halilaj hat in der Galerie Chert eine Umgebung geschaffen, in der sich ein Objekt ganz irrational verselbständigt hat. Zunächst der vielversprechende Titel: „of course blue affects my way of shitting“. Sagt das Halilaj, der blaue Farbe trinkt und sich dann über das Resultat in der Kloschüssel freut? Oder die hier ausgestellten Vögel? Mal gibt es ihre Fußspuren, dann steht da ein hässliches Vogelkostüm aus Kunststofffell à la Freizeitpark-Maskottchen. Die Treppe runter gezeichnete Exemplare, dazwischen knallbunte Stoffwürste aus dem gleichen Kunstfell. Eine blaue ist auch dabei, vielleicht ja von dem Vogel-Maskottchen. Kein Vogelkackeklecks also, sondern eine überdimensionale Wurst – ist ja sonst auch ein Mensch drin, in dem Kostüm. Das alles ist eher assoziativ spannend als visuell komplex. Zum Ausgleich hat Halilaj eine Licht-Konstruktion gebaut, und mit ihr haut er dann doch noch so richtig auf die Kacke: Eine Glühbirne schleudert sich pausenlos an einem langen Kabel befestigt durch den Raum. In immer neuen Winkeln saust sie um sich selbst, das Schwenkärmchen rattert, der Luftzug rauscht. Die ausflippende Lampe rast in alle Richtungen, wirft immer neue Schatten und gehört mindestens so sehr sich selbst wie Halilaj oder den BesucherInnen. Sie bannt den Blick, man muss sich erst trauen, selbst unter ihr herumzukreisen. Halilajs Licht-Objekt starrt nicht nur zurück, es hypnotisiert. (Nur noch bis 14. 6.!, Skalitzer Str. 68)