Tegel darf weiter brummen

FLUCHHAFEN II Gericht: Es gibt weder erweiterten Lärmschutz noch finanzielle Entschädigung für Anwohner

Um die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen, reicht bisweilen ein Blick auf den Anwalt. Die Chancen der Anrainer des Flughafens Tegel, deren Lärmklagen am Mittwoch vor dem Oberverwaltungsgericht verhandelt wurden, waren, so betrachtet, minimal. Rechtsanwalt Dirk Streifler, der drei von ihnen vertrat, starrte mürrisch in die Gegend und antwortete lustlos auf die Fragen des Vorsitzenden Richters: Er wolle das nicht alles noch mal vortragen, es stehe doch in den Schriftsätzen.

Offenbar wusste er, dass Hopfen und Malz verloren waren. Das Urteil, das schon am ersten von zwei angesetzten Verhandlungstagen erging, bestätigte ihn: Die Richter wiesen alle Klagen ab. Es wird keinen erweiterten Lärmschutz rund um Tegel geben und auch keine finanzielle Entschädigung – weder nach dem Fluglärmgesetz von 2007 noch nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz.

Hunderttausende warten

So bleibt es für Hunderttausende in Reinickendorf, Spandau oder Pankow beim zermürbenden Status quo: Sie hatten jahrelang das Ende des Fluglärms erwartet, aber Tegel brummt wie ein Bienenstock – und wann das ein Ende haben wird, darauf legt sich jetzt niemand mehr fest.

Die Klagen von Streiflers Mandanten zielten grundsätzlich auf den mangelhaften Lärmschutz in Tegel, der nicht mehr den heutigen Standards entspricht. Eine zweite Kanzlei vertrat eine Klage wegen nächtlicher Grenzwertüberschreitung. Allein, die „Lex Tegel“ in der Fluglärm-Novelle von 2007 machte alles zunichte: Anwohner von Flughäfen, die innerhalb von 10 Jahren geschlossen werden sollen, kommen nicht in den Genuss der verschärften Vorgaben.

Nicht nur deshalb hatten die Vertreter der Senatsseite leichtes Spiel: Streiflers Anträge seien unzulässig, weil sie viel zu unkonkret formuliert seien, monierte Anwalt Michael Geulen. Die Klage wegen nächtlichen Lärms hingegen sei unzulässig, weil die Werte im konkreten Fall gar nicht überschritten würden, so Geulen.

Der Senatsvertreter legte aber noch eins drauf. Seit 1990 sei Tegel immer leiser geworden: Es gebe zwar mehr Flüge, aber die modernen Turbinen erzeugten immer weniger Lärm. Harte Fakten konnten die Klägeranwälte dem nicht entgegensetzen. Sie forderten den Einsatz von Sachverständigen, um die tatsächlichen Lärmbelastungen zu überprüfen. Auch darauf ließen sich die RichterInnen am Ende nicht ein. CLAUDIUS PRÖSSER