Zwei Klappen mit einer Fliege

NIGERIA Erst ärgerte Lamido Sanusi als Zentralbankchef die Regierung, ab jetzt tut er das als Emir von Nigerias größter muslimischer Stadt Kano. Die Wahl ist eine Herausforderung für Präsident Jonathan

■ Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) weilt seit Dienstagabend zu einem zweitägigen Besuch in Nigeria. „Nigeria ist das Ankerland Afrikas, an dem sich enorm viel für die Zukunft des Kontinents festmachen wird“, sagte er auf dem Hinflug.

■ Aktivisten der Initiative „Bring back our girls“, die sich für eine Befreiung der über 200 von Boko Haram entführten Mädchen einsetzen, werden Müller am Donnerstag in der Hauptstadt Abuja treffen. Er wird anschließend auch von Präsident Goodluck Jonathan empfangen, dem Kritiker vorwerfen, sich zu wenig um das Schicksal der Mädchen zu kümmern. (dpa)

AUS ABUJA KATRIN GÄNSLER

Er war mit Abstand der bekannteste Kandidat für das Amt des neuen Emirs von Kano: Sanusi Lamido Sanusi. Bis Ende Februar war der 52-Jährige noch Chef der nigerianischen Zentralbank. Jetzt setzte er sich in der größten Stadt des muslimischen Nordens von Nigeria als neuer Emir durch. Damit wird jemand traditionell-religiöses Oberhaupt von Kano, der schon 2011 laut Time Magazine zu den 100 einflussreichsten Menschen auf der Welt gehörte. Die US-Zeitschrift traute Sanusi, zu dessen Markenzeichen bisher seine Fliege gehörte, schon damals zu, das marode Bankensystem zu verbessern und generell positive Impulse in Nigeria zu setzen.

Dennoch ist die Begeisterung über Sanusis neue Machtposition geteilt. Nach Bekanntgabe protestierten mehrere hundert junge Menschen in Kano gegen die Entscheidung. Sie hätten sehr viel lieber Sanusi Ado Bayero, den ältesten Sohn des am Freitag verstorbenen Emirs, auf dem Thron gesehen. Noch weniger dürfte die Wahl allerdings Goodluck Jonathan gefallen haben. Der Präsident hatte Sanusi erst im Februar nach knapp vier Jahren als Zentralbankchef abgesetzt. Sanusi hatte der Regierung zuvor Untätigkeit in der Korruptionsbekämpfung vorgeworfen und kritisiert, dass die staatliche Ölgesellschaft NNPC 20 Milliarden US-Dollar veruntreut haben soll – Kritik, die in dieser deutlichen Form öffentlich in Nigeria eher selten ist. Der Rauswurf erweckte den Anschein, dass sich Jonathan so einen unliebsamen Kontrahenten vom Hals schaffte.

Dass Sanusi, der Wirtschaftswissenschaften und islamisches Recht studiert und bis zur Ernennung zum Zentralbankchef im Jahr 2009 für verschiedene Banken gearbeitet hatte, nun als traditioneller Machtfaktor zurückkehrt, kann durchaus eine Schwächung für den Präsidenten bedeuten. Denn der Emir von Kano ist nach dem Sultan von Sokoto zweithöchstes Oberhaupt der nigerianischen Muslime. Außerdem sind die Verbindungen in die Politik eng.

Schließlich ist es der Gouverneur von Kano, in diesem Fall Rabiu Kwankwaso, der den Emir ernannt hat. Ihm hatten die vier „Königsmacher“ – Mitglieder des Rates der traditionellen Herrscher im Emirat von Kano – zuvor drei Endkandidaten präsentiert. Der Gouverneur entschied sich für Sanusi. Nun gehört Kwankwaso nicht Jonathans Regierungspartei PDP (People’s Democratic Party) an, sondern dem Oppositionszusammenschluss All People’s Congress (APC).

Mittlerweile hat die PDP Sanusi zwar zu seiner Wahl gratuliert, aber gleichzeitig auch eine Warnung ausgesprochen: Er soll sein Amt nicht missbrauchen. Die Sorge vor noch mehr Opposition im Norden, wo die Islamisten von Boko Haram wüten und der Regierung Untätigkeit vorgeworfen wird, ist groß: In weniger als einem Jahr wird in Nigeria ein neuer Präsident gewählt.