Placebos für die Kindergärten

Die neue Kinderlärm-Verordnung ist kurz vor der Fertigstellung. Die GAL befürchtet ein Placebo-Gesetz. Der Fortbestand des Berner Waldkindergartens Kokopelli ist unterdessen weiter gefährdet

VON MARCO CARINI

Mehrere Stunden hatten sich die Anwälte der Rudolf-Ballin-Stiftung, die den Berner Waldkindergarten Kokopelli betreibt, und die Rechtsbeistände des Privatmanns Heiko Ulrich am Mittwoch die Köpfe heißgeredet – dann gingen sie ohne greifbares Ergebnis auseinander. Damit ist die vom Hamburger Landgericht angemahnte außergerichtliche Einigung zwischen Ulrich, der sich durch den Betrieb des an sein Garten-Grundstück angrenzenden Kindergartens in seiner Ruhe empfindlich gestört fühlt, und der Kita zumindest im ersten Anlauf misslungen.

Beide Seiten, die sich zum Stillschweigen über den konkreten Inhalt ihrer Unterredung verpflichteten, vereinbarten immerhin, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. So muss das Landgericht zwar vorläufig kein Urteil fällen. Ob die Kinder aber auch noch im kommenden Jahr im Berner Wald spielen dürfen, steht weiter in den Sternen.

Mit der Hängepartie um die Zukunft des Kindergartens und der bevorstehenden Schließung des Wandsbeker Kindergartens Marienkäfer, die lärmempfindliche Nachbarn juristisch durchsetzten, rückt damit erneut eine gesetzliche Regelung ins Blickfeld, die einen Bestand von Kindergärten auch in Wohngebieten garantiert.

Wie der Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde, Volker Dumann, gestern bestätigte, liegt die von Senator Michael Freytag (CDU) lange angekündigte Kinderlärmverordnung nun im Entwurf vor und soll bereits am 11. Januar im bürgerschaftlichen Umweltausschuss erstmals beraten werden. Doch schon bevor das Papier, das in diesen Tagen in der CDU-Fraktion beraten wird, offiziell auf dem Markt ist, wird Kritik laut. „Ich rechne mit einer Placebo-Verordnung, die keinerlei Rechtssicherheit schafft“, warnt etwa der zuständige GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Christian Maaß.

Maaß kann sich dabei auf einen behördeninternen Workshop zum geplanten Hamburger Kinderlärm-Gesetz berufen, in dem die Umweltstaatsrätin Herlind Gundelach (CDU) verriet, was in dem lang erwarteten Gesetz stehen dürfte – nämlich fast nichts. „Kinderlärm ist sozialadäquat und regelmäßig zu dulden“, soll laut Gundelach der Kernsatz der Verordnung lauten.

Welche Ausnahmen es von der Regel geben darf, darüber schweigt sich der Entwurf aus. Dafür schreibt er den Kita-Erziehern nach taz-Informationen ins Stammbuch, sie sollten die Erziehung zur Rücksichtnahme auch auf die Nachbarn stärker betonen. „Viel mehr Substanz wird in der Verordnung nicht drinstecken“, prophezeit der Umweltjurist Maaß und ergänzt: „Durch diese Formulierungen hat kein Gericht eine Handlungsgrundlage in einem konkreten Konflikt – doch nur darum geht es“. So sieht Maaß auch keine Chance, dass die Verordnung – wie von der CDU gewünscht – ein gemeinsamer Entwurf aller drei Rathausparteien werden wird: „Was da drinsteht, reicht niemals aus.“

Die GAL hat stattdessen einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt (siehe Kasten), der unter Verweis auf das Bundesemmissionsschutzgesetz Kindergärten, Schulen und Spielplätze in Wohngebieten grundsätzlich erlaubt. Die Novelle soll aussichtsreiche Nachbarschaftsklagen gegen Einrichtungen für Kinder unmöglich machen. Gleichzeitig würde der Vorschlag die Behörden ermächtigen, im Konfliktfall konkrete Lärmschutzauflagen zu verfügen.