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BRIGITTE WERNEBURGDie Kunst von morgen

Das vergangene Kunstjahr war durchwachsen. Wirklich aufgefallen ist mir weniges, dafür haben sich vielversprechende Ausstellungen oft als Enttäuschung erwiesen. Klasse war allerdings der Galerieaustausch Paris Berlin. Da darf man auf die aktuelle Version, die bald ins Haus steht, gespannt sein. Auf gute Weise off off waren die Shows, die Gunnar Lützow in der Potsdamer Straße veranstaltete. Zuletzt habe ich gar nichts mehr von ihm gehört?! Wo ist er abgeblieben?! Für sachdienliche Hinweise bin ich dankbar.

Sehr schön war die Ausstellung mit Zeichnungen von Gerhard Faulhaber bei Zwinger: visuelle Überlegungen zu den Theorien und Annahmen, die wir mit der Zeichnung und ihren spezifischen Anforderungen und Möglichkeiten verbinden. War das Jahr womöglich gar nicht so schlecht? Herausragend war in jedem Fall Gordon Matta-Clark bei Thomas Schulte. Ich kann nur noch einmal den FAZ-Kollegen Niklas Maak zitieren: „Schauen Sie sich mehr Gordon Matta-Clark an! Es lohnt sich! Es ändert Ihr Leben!“ Und das ist doch das Mindeste, was wir von der Kunst erwarten.

Und weil zur gleichen Zeit auch Bettina Allamoda mit „No Go – The Exorcist Revisited“ eine sensationell gute Schau bei September hatte, konnte man für einen Moment glauben: alles ist gut. Die komplexen gedanklichen Assoziationen, zu denen Allamodas Schau anregte, waren so vielfältig, wie sie plausibel waren, weil ihr Material, also ihr (wirklicher) Stoff – durch Druck und Zug zur Skulptur geformt – sie wirklich trug.

Tatsächlich brach danach aber die gute Strecke ab. Oder kam nur ich vom Weg ab? Das Problem in Berlin ist ja, dass man immer das Gefühl hat, genau dort, wo man gerade nicht ist, passieren die entscheidenden Dinge. Man bräuchte Guides. Gar keine Frage. Man kann nicht alles selbst machen.

Ideal als solche Guides wären natürlich junge Galeriegänger. Aber wie kommt man mit denen in Kontakt? Also behilft man sich anders. „The Art of Tomorrow“ hört sich da doch sehr gut an. Denn darum geht’s. Das alte Jahr gut sein lassen und in die Zukunft blicken. Und weil über die Kunst von morgen gestandene Profis berichten wie Laura Hoptman vom New Museum in New York, Yilmaz Dziewior, Direktor des Kunsthauses Bregenz, und Uta Grosenick, ehemals DuMont Verlag, jetzt Verlegerin des neu gegründeten Distanz Verlags von Christian Boros, in dem der Band (340 Seiten, 39,90 €) auch herausgekommen ist, darf man mit großem Vertrauensvorschuss an die Sache herangehen. Das Prinzip, nach dem der Band funktioniert, ist bekannt: drei Seiten Bildmaterial, eine Seite Text plus Angaben. Klar ist die interessanteste Rubrik hier: „lebt und arbeitet“. Da freut man sich mal wieder, in Berlin zu leben. Wie haufenweise die vorgestellten KünstlerInnen.

Es ist zwar nicht so, dass man die aufgeführten KünstlerInnen nicht kennen würde, die Auswahl also nicht irre überraschend ist. Aber „Art of Tomorrow“ bringt einen dann doch auf die gute Idee, der Berlin-Spur in den Ateliers mal etwas genauer nachzugehen.

■ Bettina Allamoda, No Go – The Exorcist Revisited Foto: Galerie

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