: Kosovos Premier in spe
Schon einmal, im Dezember 2004, wurde der eloquente, immer in Maßanzügen auftretende Ramush Haradinaj zum Ministerpräsidenten Kosovos gekürt. Doch schon nach drei Monaten musste er zurücktreten. Denn ihn erwartete vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ein Prozess. Jetzt ist der ehemalige Kommandant der Kosova-Befreiungsarmee UCK im Westkosovo wieder für den Posten des Ministerpräsidenten nominiert. Den Haag braucht er nicht mehr zu fürchten. Er wurde 2008 und nach Wiederaufnahme des Verfahrens 2012 freigesprochen. Wegen Mangels an Beweisen.
Bis heute eilt ihm ein zweifelhafter Ruf voraus. Er soll laut Anklage für Misshandlungen und den Mord an Serben, Roma und missliebigen Albanern im Lager Jablanica verantwortlich gewesen sein. Belastungszeugen verstarben unter seltsamen Umständen oder widerriefen ihre Aussagen. Auch beim Mord an Mitgliedern der ehemaligen Konkurrenzorganisation der UCK, der Fark, soll er seine Hand im Spiel gehabt haben. Doch nichts ist ihm nachzuweisen.
Der 1968 in einem Dorf bei Decani im Westkosovo geborene Ramush nutzte seine durch Den Haag verursachte „Auszeit“ für ein Jurastudium. Alle, die ihn kennen, sind von seiner Intelligenz und liebenswürdigen Art beeindruckt. Haradinaj spricht neben Englisch auch Franzöisch, Deutsch, Serbisch und natürlich Albanisch. Anfang der 90er Jahre lebte er angesichts der serbischen Repression im Kosovo in der Schweiz. Er hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und organisierte Waffen und Geld für den bewaffneten Widerstand im Kosovo. Seit 1998 war er eine wichtige Figur der UCK. Thaci erkannte er zwar als politischen Führer der UCK an, doch als erfolgreicher Kämpfer gegen die serbischen Besatzer verachtete er jene, die weitab vom Schuss Politik machten. Bis heute hat sich diese Rivalität erhalten.
Während seines Gefängnisaufenthaltes forderte er die Bürger Kosovos auf, mit einem Telefonanruf einen Euro für seine Verteidigung zu spenden. Vielleicht auch mit diesem Geld baute er auf dem Gelände eines Kindergartens gegenüber den Regierungsgebäuden eine Villa im besten Viertel Prishtinas. ERICH RATHFELDER