Teures Opfer für einen Traditionsverein

Die große Koalition streitet über das Ende des Steinkohle-Bergbaus. Finanzminister Steinbrück plädiert für den Weiterbetrieb der Kohlezechen über 2018 hinaus – als Zugeständnis an seine SPD. Die Union will einen endgültigen Schlusspunkt setzen

von HANNES KOCH

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hält seine Partei, die SPD, nicht vornehmlich für einen Verein zur Traditionspflege. Gerne polemisiert er gegen die „Tempelwächter bisheriger SPD-Weisheiten“ und plädiert für die Modernisierung des Sozialstaates. Doch nun ergibt sich Steinbrück der Vergangenheit: 35.000 Beschäftigte einer alten, dreckigen und teuren Industrie sind ihm sehr viel Geld wert.

Neuerdings verlangt Steinbrück, Steinkohle-Bergwerke in Deutschland auch noch jenseits des Jahres 2018 zu betreiben und öffentlich zu subventionieren. Ein Jahr Steinkohleförderung kostet den Staat über den Daumen zwei Milliarden Euro. Für den Weiterbetrieb einiger Zechen bis in die Ewigkeit hat Steinbrück sich am Mittwoch im Koalitionsausschuss und gestern beim sogenannten Kohlegipfel eingesetzt.

Die anderen Teilnehmer des Gipfels – NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), Saarlands Regierungschef Peter Müller (CDU), Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), Hubertus Schmoldt, Chef der Bergbau-Gewerkschaft, Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) und Ruhrkohle-Chef Werner Müller – wollen den Ausstieg 2018 organisieren.

„Was Steinbrück da tut, liegt nicht im Interesse des Finanzministers“, heißt es im Ministerium, „er handelt als SPD-Politiker.“ In Nordrhein-Westfalen, aber auch im Bund, hat die Partei ein massives Problem. Die Union versucht ihr Wähler abzujagen, indem sie der SPD die Gerechtigkeit streitig macht. So plädiert Rüttgers für ein höheres Arbeitslosengeld.

Der christdemokratischen Sozialpolitik will die SPD nun dadurch beikommen, dass sie sich schützend vor die Bergarbeiter stellt, ihre alte Klientel. Am 13. November hat das Präsidium der SPD beschlossen, die „Aufrechterhaltung eines Sockelbergbaus“ zu verlangen. Zwei, drei Zechen mit rund 10.000 Arbeitern sollen dauerhaft Kohle fördern.

Diese Position allerdings ist selbst bei der SPD umstritten. Manche Wirtschafts- und Finanzpolitiker halten milliardenteure Kohlesubventionen für unvernünftig. Öffentlich äußern wollen sie sich zur Zeit aber nicht.

Ein Ausweg könnte so aussehen: Union und SPD einigen sich grundsätzlich auf den Ausstieg im Jahr 2018, vereinbaren aber, dies 2012 zu überprüfen. Diese Revisionsklausel würde die Fortführung des Steinkohle-Bergbaus in Deutschland ermöglichen, falls gestiegene Weltmarktpreise ihn rentabel machten.

Im Januar 2007 wird nun weiter verhandelt. Die Entscheidung müsse am Jahresanfang fallen, sagt Werner Müller. Der Chef der Ruhrkohle AG (RAG), will den „weißen“ Bereich seines Konzerns (Kraftwerke, Chemie, Immobilien) an der Börse verkaufen, um mit dem Erlös von knapp sechs Milliarden Euro den „schwarzen“ Bereich (Bergbau) und dessen Altlasten (Renten, Landschaftsschäden) zu finanzieren. Eine intelligente Idee: Die Börse würde absichern, was sonst der Staat bezahlen müsste.

Möglicherweise bringt der Börsengang aber nur dann ausreichend Geld ein, wenn die Käufer der RAG-Chemie sicher sein können, irgendwann garantiert kein Risiko mehr für den Bergbau tragen zu müssen. Deshalb heißt es im Bundeswirtschaftsministerium: „Den Börsengang und einen Sockelbergbau jenseits von 2018 zu kombinieren, dürfte schwierig sein.“

Kein Börsengang, dafür aber eine Sockelbergbau – das wäre eine sehr teure Lösung für Finanzminister Steinbrück. Renten, Altlasten und laufende Subventionen würden sich alleine bis 2018 auf rund 40 Milliarden Euro summieren – Ende offen. Ein kostspieliges Zugeständnis an den Traditionsverein SPD.

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