„Missing Link“ verzweifelt gesucht

Fehmarnbelt-Querung: Große Koalition in Kiel und dänische Industrie fordern verstärkt den Bau der Brücke vor dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag in Kopenhagen. Sonst verfalle ein möglicher Zuschuss der EU für das Milliardenprojekt

Von Sven-Michael Veit

Der politische Druck auf eine rasche Entscheidung über den Bau der Fehmarnbelt-Querung nimmt zu. In der gestrigen Debatte über das Thema im Landtag von Schleswig-Holstein sprachen sich die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen CDU und SPD sowie die oppositionelle FDP für den Brückenschlag über die 20 Kilometer breite Meerenge zwischen Deutschland und Dänemark aus. Zudem forderten sie die skeptische Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich endlich für das Projekt einzusetzen. Und den Weiterbau der Autobahn A 20 inklusive eines Elbtunnels zwischen Schleswig-Holstein und Niedersachsen solle der Bund außerdem bezahlen (siehe unten).

Am nächsten Dienstag will Merkel in Kopenhagen mit der dänischen Regierung unter anderem über die mindestens 4,1 Milliarden Euro teure Straßen- und Schienenverbindung sprechen, die in einer Mischung aus Privatinvestitionen und staatlichen Garantien finanziert werden soll. Danach, prophezeite der CDU-Abgeordnete Hans-Jörn Arp gestern im Kieler Landtag, werde auch die Regierungschefin von der „Wichtigkeit dieses großen Verkehrsprojektes“ überzeugt sein.

Doch selbst wenn, bezahlen kann sie es nicht. Bis Ende dieses Jahres müssten Deutschland und Dänemark einen Staatsvertrag über den Bau der Brücke sowie einen Finanzierungs- und einen Zeitplan bei der Europäischen Kommission vorlegen, um einen Zuschuss von theoretisch bis zu 30 Prozent aus dem Verkehrsetat der EU für die Jahre 2007 bis 2013 erhalten zu können. Sonst werde das Projekt „bei der Verteilung der Gelder übergangen“, warnt der aktuelle Newsletter Scandinavian Link des dänischen Industrieverbandes.

Merkel verweist bislang ebenso wie die SPD-Minister Wolfgang Tiefensee (Verkehr) und vor allem Peer Steinbrück (Finanzen) auf leere Kassen. Und auch die dänische Regierung hat – entgegen den Behauptungen von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) – „noch keine endgültige Entscheidung getroffen“, wie Scandinavian Link bedauert.

„Uns scheint, dass die Regierungen trödeln“, kritisiert denn auch die dänische EU-Abgeordnete Anne Jensen. Ihr Hamburger CDU-Kollege Georg Jarzembowski sieht die Chancen bereits schwinden. Nicht bis 2015, sondern erst „innerhalb der nächsten 15 Jahre“ könnte das „missing link“ für die freie Fahrt zwischen Nordkap und Gibraltar verwirklicht werden. Doch selbst das sei „Wunschdenken von Politikern und Wirtschaftslobbyisten“, meint Hermann Schultz, Landesvorsitzender des Naturschutzbundes (NABU). Nach seinen Informationen aus dänischen Naturschutzkreisen habe das Nachbarland gerade beschlossen, „erst bis Spätherbst 2007“ eine Prioritätenliste über wünschenswerte Verkehrsprojekte zu erarbeiten.

Und die Finanzierung hängt voll von der öffentlichen Hand ab: Der grüne Verkehrspolitiker Detlef Matthiessen erinnerte gestern im Kieler Landtag daran, dass Bauwirtschaft und Banken auf einer Investorenkonferenz im September erklärt hatten, „keine Verkehrsrisiken zu übernehmen“. Das „alleinige Risiko“ müsse bei den Staaten liegen. Diese sollten deshalb den Investoren jährliche Garantiesummen zahlen und anschließend selbst zusehen, ob sie das Geld durch Mauteinnahmen refinanzieren können.

Zudem soll unliebsame Konkurrenz versenkt werden: Der bislang von der Reederei Scandlines mit Gewinn betriebene Fährverkehr über den Fehmarnbelt müsse eingestellt werden, fordert die Wirtschaft. Das würde zum Verlust von „mindestens 600 Arbeitsplätzen führen“, kritisiert die Eisenbahn-Gewerkschaft Transnet im Gleichklang mit den Bundestagsfraktionen von Grünen und Linkspartei. Diese brachten am Donnerstag zwei ähnlich lautende Anträge gegen die Fehmarnbelt-Querung im Bundestag ein, über die nun die Ausschüsse beraten.

Die Dänenpartei SSW, sonst immer für Verbindendes zwischen beiden Ländern zu haben, ist skeptisch: „Den Luxus einer Fehmarnbelt-Querung“, sagte ihr Abgeordneter Lars Harms gestern im Kieler Landtag, „können wird uns erst leisten, wenn wir keine anderen Sorgen mehr haben.“