berliner szenen Im Nebel der Nacht

Blaue Sonne

„Ich hab den besseren Schnitt gemacht“, Lisa triumphiert. Es steht 2:1: Zwei Männer, eine Lisa. Zwei Bier, ein Longdrink. Sublime Konversation auf der Frankfurter Allee. Die Kneipe könnte auch ein Youthhostel sein. Es könnte auch eine andere Stadt sein, zumindest ein anderer Stadtbezirk. Auf der Bühne weiter hinten rockt eine Band ab, ein Jugendfreund kommt an den Tisch. Jahrbuchgesichter. Die Band spielt sonst auf Hochzeiten, was kein Kompliment ist.

Aber die Band ist nur ein Trick, ein Aufhänger, ein Gesprächsfetzen, sie steht lediglich im Raum. Die Kneipe heißt „Falscher Hund“. Oder heißt sie „hot cat“? Oder „Tierversuch“? Vielleicht hätten wir nicht so viel trinken sollen, denkt Lisa. Aber nur vielleicht.

Der Barkeeper legt Coldplay ein. Ein Rosenverkäufer betritt den Raum. Die Blicke bewegen sich von ihm weg. Zu den Filmplakaten an den Wänden, den Vorankündigungen: „Almost Kreuzberg“, „Blue Sun“ und „Santa Maria“. Von der Straße aus könnte man den Fernsehturm sehen, wenn man wollte. Lisa fühlt eine verschlossene Tür im Nacken. Lisa will jetzt. Der Fernsehturm ist noch da, die Männer verschwinden im Dunkeln. Lisa wirft einen Kuss in die Luft. Er landet in einer Sprechblase. Die Nacht bleibt kurz angebunden. Lisa steigt in die U 1. Drei trunkene Rheinländer wollen die nächsten 40 Jahre mit ihr verbringen, sagen sie, vielleicht aber auch nur die nächste Nacht. Lisa ist kein Nachtmensch. Zurückbleiben bitte. Rotkreuzplatz. In München gibt es in jeder U-Bahn-Station Defibrillatoren zur Selbstbedienung, anzuwenden bei Herzattacken. Was einem in Berlin allerdings auch nicht weiterhilft. Der HSV spielt 0:0. Lisa notiert in ihr Tagebuch. Ein Punkt immerhin. SYNKE KÖHLER