„Deutschland kann nicht isoliert leben“

Das „Haus Babylon“ in Hellersdorf macht interkulturelle Arbeit. In der Nachbarschaft wählen 10 Prozent die NPD

taz: Herr Shiferaw, Sie leiten das „Haus Babylon“, das einzige interkulturelle Zentrum in Hellersdorf. Das Haus wird ständig mit Hakenkreuzen beschmiert. Dreimal wurde es von Nazis auch in Brand gesetzt, zuletzt im Mai. Sie machen Ihre Arbeit dennoch weiter.

Mekonnen Shiferaw: Hakenkreuze übermalen wir sofort. Und was die Brandanschläge angeht: Jedes Mal hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt. Täter unbekannt. Warum geben wir trotzdem nicht auf? Weil ich interkulturelle Arbeit wichtig finde und dafür etwas tun will. Es ist Teil meines Lebens. Es ist eine bedeutende demokratiefördernde Arbeit, die wir hier leisten. Die Menschen sollen verstehen, dass andere Kulturen die deutsche Kultur respektieren und dass das umgekehrt auch gilt. Deutschland kann nicht isoliert leben.

Warum steht denn gerade das Haus Babylon im Fokus der Nazis?

Weil sich unsere Arbeit gegen Rassismus, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus richtet. Wir arbeiten mit Schulklassen, wir machen Ländertage, hier bieten Menschen, die weder deutsch aussehen, noch Deutsch als Muttersprache gelernt haben, viele verschiedene Kurse an. Lernt von uns, wir lernen von euch. Wir haben alles, was ein interkulturelles Zentrum bieten kann. Dazu noch eine Dokumentationsstelle gegen Rechtsextremismus. Meinen Sie, so etwas gefällt den rechten Randgruppen? Bei denen hat sich die Abwehr gegen Migranten doch verfestigt.

Und Sie haben keine Hoffnung, dass sich die intoleranten Ideen der Rechten von allein entlarven?

Wir waren eines der Hellersdorfer Wahllokale. Stellen Sie sich vor: 9,5 Prozent, die hier im Haus ihre Stimme abgaben, haben NPD gewählt. In angrenzenden Wahllokalen waren es zweistellige Zahlen. Ich gehe nicht davon aus, dass die Leute das nur aus Protest gemacht haben. „White Power“ schreiben sie auf unsere Wände. Manche sagen: Das ist nicht so gemeint. Aber es ist so gemeint. Nach dem letzten Brandanschlag haben wir eine Demonstration in Hellersdorf gemacht. Auf Balkonen und in Hauseingängen standen Leute und zeigten den Hitlergruß.

Jetzt ist man erschrocken, weil die NPD seit den Wahlen auch in der Bezirksverordnetenversammlung sitzt.

Wir haben schon lange gewarnt.

Sie sind dunkelhäutig und leben seit 1990 in Hellersdorf. Verstehen Sie, warum gerade in diesem Bezirk die Naziideen so populär sind?

Angst ist ein wichtiges Stichwort. Angst vor dem Anderen, Angst vor dem Fremden. Nur das Gleiche gibt Sicherheit. Da müssen die Menschen drüber wegkommen. Man muss sich mit ihnen auseinandersetzen und sie zurückgewinnen.

Erreichen Sie Familien, die sich von der simplen Welterklärungslogik der Nazis angesprochen fühlen?

Ich kann das nicht pauschal bejahen. Eltern, die gegen das Haus Babylon sind, lassen ihre Kinder nicht hierher. Da wir aber mit den Schulen zusammenarbeiten, kommen die Kinder über diesen Weg zu uns. Wir sprechen Kinder jedoch nicht auf die Eltern an. Wenn es ihnen bei uns gefällt, finden die meisten Wege, wiederzukommen.

Bekommen Sie für Ihre antirassistische Arbeit mehr Unterstützung vonseiten des Bezirks, seit die NPD in die Bezirksverordnetenversammlung eingezogen ist?

Ob die Bezirkspolitiker dem Problem gegenüber jetzt wacher sind, weiß ich nicht. Aber es reicht nicht, die NPD zu verurteilen. Lippenbekenntnisse zur Unterstützung der Projekte, die die interkulturelle Arbeit machen, reichen nicht. Man muss die Arbeit auch nachhaltig finanzieren.

Jetzt haben sich die Stadtteilzentren zusammengeschlossen, um gemeinsam gegen rechts vorzugehen. Erwarten Sie sich davon Unterstützung?

Ich hoffe es. Die Stadtteilzentren sind die besten und am leichtesten zugänglichen Ansprechpartner für die Menschen. Bessere gibt es nicht. Dass sich die Zentren im Westen verbunden fühlen mit Zentren im Osten, die starkem rechtem Druck ausgesetzt sind, das ist sehr wichtig. Man soll uns nicht allein lassen.

Interview: Waltraud Schwab