Regierung wirbt für großes Krabbeln

Umweltministerium will mehr für die biologische Vielfalt tun. Die Strategie: Es prüft, wie es in einem aufrüttelnden Bericht den Bogen zum Kampf gegen die Armut und die globale Erwärmung schlagen kann. Jetzt fehlt nur noch ein geeigneter Autor

VON STEPHAN KOSCH

Am Mittwoch wurde der Chinesische Flussdelfin für ausgestorben erklärt. Doch Baiji war nicht die einzige Spezies, die in dieser Woche aus der Welt verschwand. „In jeder Stunde sterben weltweit drei Arten aus“, warnte gestern Ahmed Djoghlaf, Exekutivsekretär des UN-Programms zur Erhaltung der biologischen Vielfalt. Das Ziel dieses Abkommens: eine Trendwende im Artenschutz bis 2010. Dafür will sich nun die Bundesregierung stärker als bisher einsetzen. Deutschland ist Gastgeber der nächsten UN-Naturschutzkonferenz .

Seit 1992 gibt es die Konvention zum Erhalt der biologischen Vielfalt, 190 Staaten haben sie unterzeichnet. Alle zwei Jahre treffen sich die Mitglieder zu einer Konferenz, das nächste Mal im Mai 2008 in Bonn. Nachdem die letzte Zusammenkunft im brasilianischen Curitiba nur wenige greifbare Ergebnisse brachte, steht Deutschland unter Druck. Schließlich bleiben nur noch gut drei Jahre, um das 2010-Ziel zu erreichen. Allerdings kann die Bundesregierung dafür auch die EU-Präsidentschaft und den Vorsitz bei G 8, den wichtigsten Industriestaaten der Welt, nutzen.

„Wir müssen mehr Aufmerksamkeit erreichen“, sagte Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, gestern anlässlich einer Vorkonferenz in Berlin. Schließlich sei auch der Klimaschutz, der viele Jahre auf Expertenebene diskutiert worden sei, mittlerweile im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen. Eine ähnliche Entwicklung erhofft sich Machnig nun auch beim Thema Artenschutz. „Wir brauchen eine Emotion“, sagt der Polit-Stratege.

Den entscheidenden Durchbruch habe das Thema Klimaschutz jüngst durch den Bericht des früheren Weltbank-Chefökonoms Nicholas Stern erhalten, sagte der frühere Direktor des UN-Umweltprogrammes, Klaus Töpfer. Stern habe nüchtern die wirtschaftlichen Konsequenzen des Klimawandels aufgezeigt. Dabei sei klar geworden, dass „nichts tun teurer wird als Investitionen in den Klimaschutz“. Damit wurden ökologische und ökonomische Fragen gleichbedeutend.

So sei es auch bei der Artenvielfalt, die Töpfer gerne als „Naturkapital“ bezeichnet. Bislang konkurrierten vor allem in Entwicklungsländern Umweltschutz und wirtschaftliche Entwicklung. Dabei sei ein Feuchtgebiet als Wasserspeicher nicht nur mit Blick auf den Artenschutz wichtig, sondern oft auch wirtschaftlich vernünftiger als der Bau einer großen Talsperre. Artenschutz sei keine „Orchidee am Rande“ für wohlhabende Völker, sondern für die Bekämpfung der Armut und der Ursachen von Kriegen von zentraler Bedeutung, sagt Töpfer. Deshalb müsse auch die Wirtschaft mit ins Boot geholt werden.

Diese Zusammenhänge will das Umweltministerium nun in einem Bericht aufzeigen und hofft auf eine ähnliche Resonanz wie beim Stern-Report. Noch werde die Idee geprüft, sagte Machnig. Als Verfasser schlug Ahmed Djoghlaf seinen Podiumsnachbarn Töpfer vor. Doch der winkte ab. „Dafür gibt es herausragendere Autoren.“