Reisekonzern TUI baut 3.600 Jobs ab

Europas Branchenprimus laufen die Kunden weg. Sie buchen ihren Urlaub lieber im Internet. Nun muss TUI sparen

HAMBURG taz ■ Die Tourismusbranche leidet unter dem Internet. Statt billiger Pauschalangebote buchen Reiselustige lieber selber – und noch billiger. Die Zeche zahlen nach den kleinen Reisebüros nun tausende Beschäftigte des kriselnden Tourismuskonzerns TUI. Vorstandsvorsitzender Michael Frenzel stellte gestern ein umfangreiches Kostensenkungspaket vor: Bis 2008 sollen europaweit 3.600 Stellen gestrichen werden, davon 400 in Deutschland.

Der Reise- und Schifffahrtskonzern hält dem Preisdruck der Branche nicht stand und macht Schulden. Nun sollen die Sachkosten um rund 150 Millionen Euro und die Personalkosten um rund 100 Millionen Euro pro Jahr reduziert werden. Die Stellen sollen vor allem in Großbritannien und Frankreich abgebaut werden. Zugleich soll die Konzernzentrale in Hannover mit der deutschen Reisesparte organisatorisch zusammengelegt werden. Und im kanadischen Montréal wird ein Hafenterminal verkauft.

Die Probleme von TUI sind nicht neu. Schon auf der Hauptversammlung im Mai hatten Finanzinvestoren gefordert, die Touristiksparte von der Schifffahrt zu trennen. Der Betriebsrat wollte die Aufspaltung aber in jedem Fall verhindern – und begab sich auf die Suche nach Bündnispartnern in der Politik. Der Betriebsratsvorsitzende Christian Kuhn sprach zum Beispiel mit Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) über einen Einstieg des Landes. Kuhn wollte Anteilseigner finden, die mit insgesamt 30 Prozent die Gefahr einer feindlichen Übernahme des Konzerns abwenden. Die Politik beteiligte sich nicht.

Frenzel versicherte gestern, er werde die Touristik und die lukrativere Schifffahrt erhalten: „Die TUI bleibt weiterhin ein Konzern mit zwei starken Säulen.“ Er provoziert damit die Spekulanten, die das Unternehmen gerne übernehmen, zerlegen und mit Gewinn verkaufen wollen. Den Betriebsrat kann Frenzels Strategie aber auch nicht beruhigen.

Denn er verfolgt nun selbst den Kurs, den der Betriebsrat bislang nur im Fall einer Übernahme durch eine „Heuschrecke“ füchtete: Kosten sparen und Leute entlassen. Frenzel macht für seine Schritte den Markt verantwortlich. „Die Marktbedingungen im touristischen Geschäft haben sich durch Internet und Billigflieger drastisch geändert.“ Das hört sich wie ein Eingeständnis an: Der Vorstand hat den Wandel der Branche verschlafen. Flotte Internet-Anbieter vermiesen den klassischen Reisekonzernen zunehmend das Geschäft. Denn immer mehr Reiselustige buchen ihren Billigflug, das einfache Hotel und preiswerte Events im Internet. Auch der Kreuzfahrtboom unter jungen Leuten läuft an TUI vorbei. So macht die klassische Pauschalreise, mit der Europas größter Tourismuskonzern einst groß wurde, bei TUI mittlerweile nur noch 45 Prozent des Geschäfts aus. Und die Preise sinken weiter, während die Kosten, etwa für Kerosin, drastisch steigen.

Betriebsrat und die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di haben nach längeren, kontroversen Diskussionen Frenzels Sanierungsprogramm zugestimmt. „Der Sparkurs ist alternativlos, weil wir das Unternehmen in dieser Struktur erhalten wollen“, sagt eine Ver.di-Sprecherin. Die Beschäftigten hoffen auf einen „starken Betriebsrat“ und viele alternative Jobs. Betriebsbedingte Kündigungen erwartet die Gewerkschaft nicht. HERMANNUS PFEIFFER