SPD braucht einen Stundenplan

Die Fraktionsführung verdonnert ihre Abgeordneten zur Anwesenheit im Bundestag

BERLIN taz ■ Werden Besuchergruppen auf die Tribüne des Bundestages geführt, lautet eine beliebte Frage: „Warum sind die Plätze dort unten so spärlich besetzt?“. Viele der 614 Abgeordneten haben Wichtigeres zu tun, als der Tagesordnung zu folgen.

Deshalb erlässt die Geschäftsführung der SPD-Fraktion neuerdings einen „Dienstplan zur Grundsicherung der Präsenz im Plenum“. Gerade ist das Exemplar für Januar 2007 bei den Abgeordneten eingetroffen. Liebevoll wurde jeder Sitzungstag im Stundenrhythmus unterteilt. Am Donnerstag, den 18. Januar, zwischen 15.00 und 16.00 Uhr, sind dann etwa die SPD-Landesgruppen aus Bayern, Bremen, Hamburg und Sachsen-Anhalt dafür zuständig, Anwesenheit zu demonstrieren. Diese 42 Sozialdemokraten müssen sich vollzählig in den Sitzreihen der SPD versammeln. Ab 16.00 Uhr folgen die Kollegen aus Berlin, Hessen, Sachsen, Thüringen und dem Saarland.

Das neue Verfahren muss aber auch kontrolliert werden. Das macht Uwe Küster, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD mit der Zuständigkeit für Präsenz, Informationsmanagement, EDV und Sicherheit. Fehlt jemand, schreibt Küster es auf und schickt einen Beschwerdebrief an den Chef der jeweiligen Landesgruppe. Geldbußen wurden noch nicht eingeführt.

„Ist das hier ein Kindergarten?“, fragt sich mancher Abgeordnete. Wobei den meisten die Logik irgendwie auch einleuchtet. Denn mindestens zwei Abstimmungen hat die große Koalition in diesem Jahr verloren, weil mehr Oppositionsabgeordnete als Koalitionsparlamentarier im Plenum weilten. Den drei kleinen Fraktionen gelang es, die Minister Jung (Verteidigung) und Müntefering (Arbeit) aus ihren Terminen heraus ins Hohe Haus zu zitieren. Deshalb gilt nun bei der SPD: „Die große Koalition muss auch groß anwesend sein.“

HANNES KOCH