„Keine ethnischen Säuberungen“

Norman Paech (Linkspartei) sieht keinen Anlass für eine Intervention in Darfur. Stattdessen soll verstärkte Diplomatie der Regierung des Sudan „jede Furcht nehmen“

taz: Was haben Sie dagegen, dass die Bundeswehr die AU-Truppe in Darfur unterstützt?

Norman Paech: Logistische Unterstützung für eine Friedenstruppe müsste eigentlich problemlos möglich sein. Doch wir sind nicht davon überzeugt, dass in der krisenhaften Situation in Darfur militärische Aktionen tatsächlich zur Lösung der vielfältigen Ursachen dieses Konflikts beitragen können.

Was haben die Menschen in Darfur davon, wenn man nicht eingreift?

Eingreifen mit militärischen Mitteln ist ja nicht die einzige Alternative zum Nichtstun. Es gibt die Diplomatie und auch die Möglichkeit, weiter humanitäre Hilfe zu leisten. Da fehlt viel Geld. Es fehlt auch Geld für die afrikanische Truppe.

Aber die humanitäre Hilfe in Darfur wird aufgrund der Sicherheitslage immer schwieriger, und die afrikanische Truppe steht als ineffektiv in der Kritik. Muss man nicht etwas anderes überlegen?

Eines der zentralen Defizite ist, dass man beim Friedensprozess, der im vergangenen Mai zum Darfur-Friedensabkommen von Abuja führte, nicht gewartet hat, bis man alle Rebellengruppen unter das Dach des Abkommens bekam, sondern von den drei damals relevanten Rebellengruppen nur eine. Das war ein Kernfehler. So was muss man nachholen. Allmählich ist es so, dass die Rebellengruppen sich untereinander bekämpfen. In diesem Fall könnte eher polizeiliche Präsenz vor Ort eine Pazifizierung herbeiführen als klassisches Militär. Eine andere Alternative wäre, als Mediatoren zu wirken. Ich habe mit UN-Vertretern gesprochen, die zu den Rebellen und zu den Janjaweed-Milizen Kontakt haben und als Mediatoren zwischen ihnen wirken. Das müsste ausgebaut werden.

Wie bringt man Sudans Regierung zu einem neuen Friedensprozess?

Das ist keine militärische Aufgabe, sondern eine diplomatische, um der Regierung in Khartum jede Furcht zu nehmen.

Und Sie meinen, wenn man Druck wegnimmt, wird Khartum eher einlenken?

Nein, es soll diplomatischen Druck geben.

Wie soll der aussehen?

Da könnte man mit den Chinesen sprechen, mit den Russen, die dort relativ starken Einfluss haben. Eine der Befürchtungen der Regierung in Khartum ist, dass, wenn weitere UN-Truppen eingeflogen werden, es ähnlich wie im Südsudan eventuell zu einer Separation Darfurs vom Sudan kommen könnte.

Ist Khartum an einer friedlichen Lösung interessiert?

Zweifelsohne. Aber die Bedingungen dürfen ihm nicht militärisch oktroyiert werden. Die USA und Engländer sagen: Wenn es uns nicht gelingt, eine UN-Resolution für eine militärische Intervention zu bekommen, könnten sie das mit dieser ominösen Konstruktion der „Responsibility to Protect“ [Schutzverantwortung zur Prävention von Völkermord] machen. Solche Drohungen verhärten die Position der Regierung in Khartum.

Kofi Annan hat die Schutzverantwortung betont und gesagt, wir dürfen nicht warten, bis ein Genozid stattfindet.

Das ist durchaus richtig, doch Annan hat nicht dafür plädiert, dass zwei oder drei Mächte sich herausnehmen, die Schutzverantwortung in militärische Intervention umzusetzen. Es ist kein Konzept, welches einzelnen Staaten die Hoheit übergibt, selbstständig tätig zu werden. Es sagt nur: Im äußersten Fall muss es möglich sein, auch militärische Mittel anzuwenden, um Völkermorde und Menschheitsverbrechen zu verhindern und die Bevölkerung zu schützen – aber das ist nach der UN-Charta dem UN-Sicherheitsrat vorbehalten.

Viele Menschenrechtler sagen, in Darfur sei der äußerste Fall längst da, es gibt verstärkte ethnische Säuberungen …

Das sind keine ethnischen Säuberungen. Es sind Muslime gegen Muslime, Afrikaner gegen Arabischstämmige, aber die auch untereinander, es sind Frontstellungen, die nicht so einzuordnen sind wie im Kosovo oder in Ruanda. Man hat eine gewisse semantische Aufschäumung gefunden, die dazu zwingt, zu sagen: Da müssen wir eingreifen. Man hat lange ignoriert, was sich dort zwischen Nomaden und Bauern angebahnt hat, auch zwischen Khartum und der vernachlässigten Peripherie Darfur. Diese Konfliktgründe kriegt man nicht militärisch aus der Welt, sondern nur durch ein nachhaltiges Entwicklungsprogramm.

Es gibt viele Berichte von Vertriebenen, die sagen: Wir wurden aufgrund unserer ethnischen Zugehörigkeit vertrieben, und wir brauchen internationalen Schutz. Was Sie sagen, kann nur danach kommen.

Wenn Sie mit den Leuten selber sprechen, sind sie nicht davon überzeugt, dass größere militärische Aktivität das erreichen kann. Wir müssen die Leute wieder an den Verhandlungstisch bringen, und wir sollen die humanitären Projekte ausweiten – das sind die Vorschläge. Uns wurde sehr deutlich gesagt: Wenn UN-Soldaten kommen, explodiert Darfur. INTERVIEW:
DOMINIC JOHNSON