Vom Reiz heidnischer Feste

Weihnachts-Varianten (3): Wir haben Angehörige anderer Religionsgemeinschaften gefragt, ob sie Weihnachten feiern. Hier antwortet Siegfried Albuszies, ein ehemaliger Sprecher der Zeugen Jehovas. Und: ein Exkurs zur Geschichte des Weihnachtsmanns

Die Zeugen Jehovas sind Christen. Aber sie feiern das Weihnachtsfest nicht als Geburtsfest Jesus Christus. Warum das so ist, weiß Siegfried Albuszies, der ehemalige Sprecher der Zeugen Jehovas in Bremen: „Die Bibel kennt ein Weihnachten nicht. Und auch die weltliche Geschichtsschreibung, die sich mit dem Christentum des ersten Jahrhunderts beschäftigt, zeigt, dass die Christen weder den Geburtstag Jesu Christi noch den irgendeines seiner Anhänger im ersten Jahrhundert gefeiert haben. Dabei war es im im Römischen Reich durchaus üblich, Geburtstage zu feiern.“

Klar ist aber: Coca-Cola hat den roten Mantel nicht erfunden. Der Weihnachtsmann ist ein auf Weihnachten gerutschter Nikolaus. Der alte Schulheilige wanderte vom (katholischen) Schulabschluss- und Kirchenfest am 6. Dezember auf den Weihnachtstermin als evangelischen Tag der häuslichen, familiären Bescherung in Deutschland. Seinen roten Mantel hat nicht – wie manchmal behauptet wird – Coca-Cola 1931 erfunden. „Santa Claus“ trat als Weihnachtsmann schon lange vorher auf. Der gebürtige Rheinländer Thomas Nast zeichnete ihn so in den USA um 1880; die Volkskundlerin Ingeborg Weber-Kellermann dokumentiert „Oblatenbilder“ von 1910, die den Weihnachtsmann in rotem Mantel und Kapuze mit weißem Pelzbesatz zeigen.

Übrigens ist der Tag der Kinderbescherung in den Niederlanden immer noch der 6. Dezember; in Italien hat sich der 6. Januar als Kinderbeschertag (schließlich ist das der Tag, an dem die Weisen aus dem Morgenland ihre Geschenke bringen) gehalten.

Der ehemalige Sprecher der Zeugen Jehovas Albuszies: „Mit den damals üblichen Geburtstagsfeiern waren Gebräuche verbunden, die dem völlig entgegenstanden, was das Leben eines Anbeters Gottes Jahwe ausmacht. In der Bibel wird über die Geburt Jesu berichtet, aber ein Datum gibt es nicht. In der Bibel steht nur, dass er mit 33 und einem halben Jahr hingerichtet wurde, das ist Ostern, dann muss die Geburt um den 1. Oktober herum gewesen sein.“

Weihnachten ist für die Zeugen Jehovas ein vorchristliches Fest: „Wenn man einen Vergleich anstellt zwischen dem, was heute an Weihnachtsbräuchen gepflegt wird, und dem, was die Römer gepflegt haben an den Saturnalien, also zur Wintersonnenwend-Feier, dann stellt man eine Menge Übereinstimmungen fest.“

Erst im Jahre 381 wird Weihnachten durch Konzilsbeschluss auf den 25. Dezember gelegt, die Mainzer Synode von 813 machte Weihnachten zum allgemeinen kirchlichen viertätigen Fest in Deutschland.

Dennoch sind die Zeugen Jehovas sehr zurückhaltend mit ihrer Kritik am Weihnachtsfest. Auf der offizielle Webseite www.watchtower.org findet sich zu fast allen Lebenslagen Tröstliches und Hilfereiches, sogar die Frage „Was ist an Telefonsex so schlimm?“ wird beantwortet. Kein Wort derweil gegen Weihnachten.

Offensichtlich haben die heidnischen Bräuche doch etwas Unwiderstehliches. Auch historisch haben dieZeugen Jehovas nachweislich gemeinsam Weihnachten als religiöses Ritual gefeiert, natürlich streng fromm und nicht als bunt glitzernde Kinderbescherung. kawe