Magerkost zur Weihnachtspause

Hertha BSC verabschiedet sich mit einem mühevollen 1:0-Heimsieg gegen Frankfurt in die Winterpause der Bundesliga. Die Hinrundenbilanz fällt dennoch positiv aus: Das Team hat den Weggang von Spielmacher Marcelinho gut verkraftet

von Johannes Kopp

Viel Interpretationsspielraum ließ die Leistung von Hertha eigentlich nicht zu. Die Berliner zeigten am Samstag ihre dürftigste Heimvorstellung der jetzt beendeten Hinrunde. Nichtsdestotrotz gewann man am Ende mit 1:0 gegen Eintracht Frankfurt. In der Nachbetrachtung offenbarten die Herthaner, wie unterschiedlich man dennoch über ein solches Spiel sprechen kann. Kevin Boateng („Das war kein Supersieg“) und Arne Friedrich („Es war kein Leckerbissen“) übten sich in der Kunst der Untertreibung. Andreas Schmidt dagegen gab das Geschehen ungeschminkt wider: „Der Sieg hinterlässt einen üblen Beigeschmack. Vor allem in der zweiten Halbzeit haben wir unter aller Sau gespielt.“

Generell bekannte sich nach Spielschluss auch der Schütze des einzigen Tores, Christian Gimenez, zur Notwendigkeit von Selbstkritik: „Man darf nie, nie zufrieden sein.“ Dass er dennoch glückstrahlend sein Statement mit dem Satz „Ich bin sehr zufrieden“ eröffnet hatte, muss Gimenez nachgesehen werden. Denn er ist in einer schwierigen Situation. Nach einer langwierigen Verletzung läuft dem Argentinier die Zeit davon. Hertha hat Gimenez nur für eine Saison von Girondins Bordeaux ausgeliehen – und jetzt muss er zeigen, weshalb ihn der Verein darüber hinaus halten soll.

Das Tor vom Samstag kann in dieser Angelegenheit als das bislang eindrücklichste Argument für den 32-jährigen Stürmer gelten. Es bescherte seinem Verein zum Ende der Hinrunde nicht nur drei schmeichelhafte Punkte, sondern auch das sichere Überwintern auf einem Uefa-Cup-Platz. Zudem war der Treffer wunderschön. Gimenez nahm ein Kopfballzuspiel von Marko Pantelic so geschickt mit der Brust an, dass er dabei seinen Gegenspieler Aleksandar Vasoski verlud und völlig frei zum Schuss kam.

Zu viele Gegenspieler

In der ersten Halbzeit hatte Gimenez eine wesentlich einfachere Möglichkeit, zum Torerfolg zu kommen, noch fahrlässig vergeben. Der Frankfurter Torhüter war bereits von Pantelic ausgespielt worden, und Gimenez hätte dessen Pass nur ins Tor weiterleiten müssen. Doch anstatt ins Tor, schoss er einen Eintracht-Spieler auf der Linie an. „Da standen so viele Leute rum“, entschuldigte er sich nach dem Spiel.

Ein Eindruck, den die Berliner wohl über die gesamte Spielzeit haben mussten. Immer wieder sahen sie sich beim Aufbau ihrer Angriffe einer Überzahl von Frankfurtern gegenüber. Die Hessen hatten in ihrer taktischen Grundformation sowieso schon auf ein verstärktes Mittelfeld (4-5-1) gesetzt. Hinzu kam, dass sich ihr einziger Stürmer, Naohiro Takahara, meist auch noch ins Mittelfeld zurückfallen ließ. So wurde Hertha häufig in die Defensive gedrängt. Vorne fehlten die Anspielstationen.

Ein strategisches Versagen wollte sich Hertha-Trainer Falko Götz aber nicht nachsagen lassen. So in die Ecke getrieben, wich er von seinem Grundsatz ab, keine öffentliche Spielerkritik zu betreiben. Er bemängelte, dass sich seine Außenverteidiger Gilberto und Friedrich nicht wie im vorgesehenen Maße in die Offensive eingeschaltet hätten. Dass das Übergewicht der Frankfurter folgenlos blieb, lag an deren Ineffizienz in der Chancenverwertung.

„Zum Glück haben wir zwei Torjäger“, stellte hingegen Götz dankbar fest. In der vergangenen Saison hatte er sich noch auf Pantelic allein verlassen müssen. Mit Gimenez ist das Spiel von Hertha in Verlauf der Bundesliga-Hinrunde grundsätzlich offensiver ausgerichtet worden.

Schwache Defensive

Doch was man vorne an Stärke hinzugewonnen hat, verlor man in den vergangenen 17 Spielen an Stabilität in der Defensive. Ansonsten verlässliche Profis wie Torhüter Christian Fiedler oder Verteidiger Josip Simunic erfüllten nicht die an sie gerichteten Erwartungen. Im Endeffekt steht Hertha genau an derselben Stelle wie vor einem Jahr – auf Platz fünf. Das war im Sommer nach Abgang des Spielgestalters Marcelinho nicht unbedingt zu erwarten gewesen.

Hertha setzt seither verstärkt auf seine talentierten Nachwuchskräfte. Aus finanziellen Gründen konnte sich der Verein nämlich keinen namhaften Ersatz für Marcelinho leisten. Hertha speckt ab. Davon ist auch das Anspruchsdenken betroffen. Kapitän Arne Friedrich ließ sich jüngst zwei Verlängerungsklauseln aus seinem Vertrag streichen. Sein Kontrakt hätte sich nämlich nur bei Erreichen eines Uefa-Cup Platzes über diese Saison hinaus verlängert. Im Jahr darauf wäre sogar die Qualifikation für die Champions-League Bedingung für den Verbleib von Friedrich gewesen.

Doch die ist passé, Friedrich hat jetzt nur noch Augen für den VFL Osnabrück. „Wir haben eine super Vorrunde gespielt. Jetzt wollen wir am Dienstag im Pokal endlich einmal was reißen“, sagte er am Samstag.