berliner szenen Der Kunde ist König

Fedrige Hinterpartie

Ich sitze vorm Spiegel Nummer 8 und blättere in einer Zeitschrift. Eine Weile muss ich noch warten. Ich schaue in den Spiegel und beobachte den Mann hinter mir, er wird gerade von einer Frisörin begrüßt.

„Hallo“, sagt er, „ich möchte die Seiten etwas kürzer und ausgedünnt, damit die Haare nicht mehr so abstehen.“ Er drückt seine Hände beidseitig an den Kopf. „Oben auch etwas kürzer“, er greift sich in die Haare, „der Übergang nach hinten sollte fließend sein.“ Die Frisörin nickt. Er fährt sich über den Nacken in die unteren Haare. „Die Deckhaare will ich lang wachsen lassen. Sie sollen fedrig über die kurze Hinterpartie fallen. Es sollte so geschnitten sein, dass der Übergang leicht fällt.“ Er streicht sich über den Hinterkopf. „Im Moment bin ich mit meinen Haaren überhaupt nicht zufrieden, sie sind einfach nicht blond genug.“

Die Frisörin legt ihren Kopf schräg und runzelt verständnisvoll die Stirn. „Auch mit den Strähnchen sind sie einfach nicht blond genug“, sagt er und fährt sich mehrfach verzweifelt über die Haare. Die Frisörin schneidet ein paar Mal in die Luft. „Die Seiten nur ausdünnen oder auch kürzer schneiden?“ – „Nein, auch kürzer, sodass es mit den hinteren Haaren ineinander übergeht.“ Die Frisörin zieht die Schere weg, damit er mit seinen Händen nicht in die Schere gerät. „Wissen Sie, Sie kennen meine Haare schon, wenn ich zu einer anderen Friseuse gehe, muss ich jedes Mal alles von vorne erklären. Sie schneiden meine Haare so, wie ich es will, sehen Sie, hier oben länger.“ Er zieht seine Haarspitzen in die Höhe.

Eine andere Frisörin schiebt sich zwischen mich und das Geschehen. „Hallo“, grinst sie mich an, „einmal trocken die Spitzen schneiden?“ „Ja“, sage ich.SANDRA NIERMEYER