Gratis ist teuer

David Montgomerys dänische Zeitungen feuern jeden achten Angestellten – Opfer eines Zeitungskrieges

350 Angestellte entlassen will der Berlingske-Verlag im kommenden Jahr. Im seit einigen Monaten zum Mecom-Konzern von David Montgomery (Berliner Zeitung, Hamburger Morgenpost) gehörenden größten Pressehaus Dänemarks muss damit jeder achte Beschäftigte in Redaktion oder Verwaltung gehen.

Diese Entlassungen sind zum Teil Montgomerys Renditevorstellungen geschuldet, zum Teil aber auch Resultat eines Kampfes von Gratistageszeitungen, den der Verlag selbst mit angezettelt hat. Unter zwei kostenlosen Pendlerzeitungen hatte man an den S-Bahn-Stationen und Bushaltestellen Kopenhagens schon seit Jahren wählen können. Und beide schrieben schwarze Zahlen. Zwischen August und Oktober dieses Jahres stießen dann drei neue Gratisprodukte hinzu, welche man bereits zum Frühstück im Briefkasten vorfindet. Zu viel für den Anzeigenmarkt: 400.000 Euro verlieren die drei beteiligten Verlage jetzt an diesem Spaß. Täglich.

Dass das nicht gut gehen kann, beweist nun als Erstes der Berlingske-Verlag, seit August mit Dato auf dem Markt. Was angeblich auf eine persönliche Intervention von David Montgomery zurückgeht. Nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ sollte einem Neuankömmling aus Island das Leben schwer gemacht werden, bevor dieser überhaupt an den Start ging.

Dänemark ist für den isländischen Dagsbrún-Verlag ein Export-Testmarkt für ihr Modell einer ausschließlich anzeigenfinanzierten Tageszeitung mit journalistischem Anspruch, die frühmorgens gratis ins Haus geliefert wird. Seit 2002 erscheint in Reykjavík täglich außer Sonntags Fréttablaoio. Laut Umfragen lesen das Gratistabloid 70 Prozent der IsländerInnen – und sparen sich ein Tagezeitungs-Abonnement.

Seit Oktober ist nun in Dänemark Dagsbrúns Nyhedsavisen auf dem Markt. Aber vom Vorbild Fréttablaoio noch weit entfernt: Die Redaktion liefert zwar ein seriöses Produkt, das aber weder LeserInnen noch Werbewirtschaft bislang so recht ins Herz geschlossen haben – angeblich verfügt man jedoch über ein dreijährige Bestandsgarantie aus dem Mutterhaus.

Die dänischen Verlage plagen sich nun mit ihren teuren Abwehrprodukten herum, die nie erschienen wären, würde es Nyhedsavisen nicht geben. Im Fall von Dato, lust- und konzeptlos aus Tickermeldungen zusammengeschustert, findet laut Marktuntersuchungen nicht einmal jedes dritte Exemplar einen Leser – und die Anzeigenbelegung liegt unter fünf Prozent. Und eine Anzeigenbelegung von meist unter fünf Prozent. In der Branche hält sich daher das Gerücht, Dato werde bald erstes Opfer dieses Krieges der Gratistageszeitungen sein.

Die nächsten könnten die Bezahlzeitungen werden, denen die Schwemme an Gratiszeitungslektüre bereits einen empfindlichen Auflagenschwund beschert. Medienanalytiker wie Professor Anker Brink Lund von der Copenhagen Business School sehen darin den Beginn einer Aufspaltung des Zeitungsmarkts in kostenlose Massenprodukte und extrem hochwertige Elitemedien. Für die, aber nur für die, die LeserInnen dann auch bereit sein könnten, zu bezahlen.

REINHARD WOLFF