„Wir müssen den Dialog wiederaufnehmen“

Fatah und Hamas müssen miteinander reden, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, meint Hamas-Abgeordneter Ayman Daragmeh

taz: Herr Daragmeh, Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat über vorgezogene Neuwahlen entschieden. Glauben Sie, dass er die Hamas damit unter Druck setzen will, einer großen Koalition doch noch zuzustimmen?

Ayman Daragmeh: Ich meine, das ist die richtige Interpretation seiner Entscheidung. Abbas will uns dazu zwingen, seinen Bedingungen für eine große Koalition zuzustimmen. Unserer Meinung nach wäre der rechte Weg aus dieser Krise, zuallererst das Gesetz zu respektieren, und das gibt dem Präsidenten nicht die Befugnis, parlamentarische Neuwahlen auszurufen. Die Verfassung hält sehr klar fest, dass das Parlament für vier Jahre gewählt wird und erst danach Neuwahlen abgehalten werden. Selbst in einer Ausnahmesituation hat der Präsident nicht das Recht, das Parlament aufzulösen.

Glauben Sie, dass Verhandlungen über eine große Koalition noch gelingen könnten?

Es ist die einzige Lösung für uns alle, für den Präsidenten, für die Regierung und die Fraktionen. Wir müssen den Dialog wiederaufnehmen. Ich bin überzeugt davon, dass wir auf der Basis des Gefangenendokuments, der Kompromisslösung von Inhaftierten aller Fraktionen, eine Einigung finden können.

Es besteht eine sehr große Kluft zwischen der Fatah und der Hamas. Selbst die Führungen hetzen gegeneinander. Wie wollen Sie die Gewalt beenden?

Die Situation ist sehr schlimm, und ich bedauere das sehr. Die Führungen sollten klüger und verhaltener reagieren, sie sollten sich zusammensetzen, um die Stimmung abzukühlen. Ich verurteile die Hetze, wie sie in den Medien übertragen wird.

Premierminister Ismail Hanijeh machte Mohammad Dahlan, den ehemaligen Sicherheitschef in Gaza, direkt für den vereitelten Mordanschlag Ende letzter Woche verantwortlich. Muss Dahlan um sein Leben fürchten?

Warum Dahlan verantwortlich gemacht wurde, weiß ich nicht. Es ist auf jeden Fall nicht der richtige Weg, jemanden zu beschuldigen, bevor es eine Untersuchung gab. Ich glaube aber auch, dass Abbas’ Rede vom vorigen Samstag nicht unbedingt dazu beitragen wird, die Lage zu beruhigen. Das Gegenteil ist der Fall.

Könnten andere Staaten helfen?

Unsere Brüder aus Ägypten unternehmen bereits Anstrengungen, die Führungen der beiden Bewegungen zusammenzubringen. Vordringlich ist es jetzt, die Stimmung zu beruhigen und die Leute zum Nachdenken zu bringen, wie wir aus der Krise herauskommen.

Halten Sie einen Bürgerkrieg für möglich?

Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns in einer Krise befinden. Mit der Hilfe des Allmächtigen konnte bislang ein Bürgerkrieg immer abgewandt werden.

Wo liegen die wahren Gründe für den Konflikt?

Das Problem ist, dass es zwei unterschiedliche politische Programme gibt. Wir haben nicht wirklich Hand in Hand gearbeitet, sondern uns gegenseitig die Schuld für die Isolation und die wirtschaftliche Not zugewiesen.

INTERVIEW: SUSANNE KNAUL