Ein Gericht lässt auf sich warten

RECHTSPRECHUNG Warum es 19 Jahre gedauert hat, bis das Hamburger Verwaltungsgericht über den Abriss des Dorfes Altenwerder verhandelt

Nach außen sieht alles nach einer Farce aus: Kommende Woche urteilt die Kammer 9 des Verwaltungsgerichts Hamburg über das Schicksal des Elbdorfes Altenwerder, das es nicht mehr gibt – 19 Jahre nachdem Landwirt Manfred Brandt Klage eingereicht hat. „Es ist sicherlich das ungewöhnlichste Verfahren, das ich je erlebt habe“, räumt der Sprecher der Verwaltungsgerichte, Andreas Lambris, ein.

„In den Kammern wechselt oft der Vorsitzende, der dann in der neuen Konstellation gern die komplizierten Fälle auf Stapel ‚demnächst‘ legt“, sagt Cornelia Ganten-Lange, Verwaltungsrechtlerin und hamburgische Verfassungsrichterin. In der Tat gibt es im Verwaltungsrecht nicht das Beschleunigungsgebot wie im Strafrecht. Da muss ein Richter beschleunigt die Fälle verhandeln, bei denen sich ein Angeklagter in Untersuchungshaft befindet. Alle anderen Fälle bleiben liegen. Im Verwaltungsrecht muss ein Gericht zwar auch unverzüglich verhandeln, wenn ein Kläger im Eilverfahren gegen einen Verwaltungsakt eine einstweilige Verfügung beantragt hat. Danach ist aber genug.

„Das Verfahren Altenwerder ist im Eilverfahren durch zwei Instanzen gegangen“, sagt Gerichtssprecher Lambris. Dass es dann in den Gerichts-Mühlen versandet sei, hätte auch mit dem Verhalten der Kläger zu tun gehabt. Im Laufe der Jahre seien immer mehr Prozessbeteiligte abgesprungen, Brandts Mitkläger-Ehepaar hätte mehrere Verhandlungen absetzen lassen. „Das ist etwas, was im Strafrecht zwar häufig vorkommt, was wir im Verwaltungsrecht aber wenig kennen“, sagt Lambris. Darum sei das Verfahren von Brandt jetzt abgetrennt worden.

Dass das Dorf Altenwerder an der Stelle wieder aufersteht, wo seit einem Jahrzehnt der Container Terminal Altenwerder der Hamburger Hafen und Logistik GmbH steht, glaubt niemand. Es geht vielmehr um die Feststellung, ob das Hamburger Hafenentwicklungsgesetz rechtswidrig vom Hamburger Senat beschlossen wurde.

Für den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Jürgen Kühling, mehr als zehn Jahre Richter am Bundesverwaltungsgericht für Planungsrecht zuständig, drängt sich das auf. In einem Gutachten sagt er, dass der damalige SPD-Senat die Plattsanierung Altenwerders nie hätte beschließen dürfen. „Das war Bundesrecht. Das hätte nur die Bundesregierung beschießen können“, sagt Kühling, der sich als Gutachter zu dem laufenden Verfahren nicht weiter äußern möchte. Er hofft jedoch, dass das Verwaltungsgericht sich zu einem Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht durchringt.

Auch Gerichtssprecher Lambris meint, dass die Kammer einen Vorlagebeschluss erwägen könnte. An einen Abriss des Terminals glaubt jedoch auch er nicht: „Wir kennen das von Bauvorhaben und Planfeststellungsbescheiden – selbst wenn diese anschließend im Hauptverfahren für rechtswidrig erklärt werden.“  KVA