Große Lust an schlechter Laune

WORTWITZ Triumph des „Fluffigen“: Die Hollywood-Komödie „Morning Glory“

VON BARBARA SCHWEIZERHOF

Nachrichten versus Entertainment – darüber wurde jahrzehntelang gestritten, und wissen Sie was? Ihre Seite hat verloren!“, wirft in „Morning Glory“ die Producerin einer morgendlichen News-Show dem mürrischem Nachrichtenreporter alten Schlages vor. Es ist, wenn man so will, das Kernzitat dieser Komödie von Regisseur Roger Mitchell, der sich einem Lieblingsthema des amerikanischen Unterhaltungsfilms widmet: dem Journalismus. Im Zentrum steht hier das scheinbar leicht zu ridikülisierende Milieu des Frühstücksfernsehens, jener gefühlten Endlossendungen, die mit ihrer Mischung aus sofasitzender Gemütlichkeit und mundgerecht aufgearbeiteten Allerleinachrichten für den kleinen Kreis der ernsthaften Mediennutzer so etwas wie den Untergang des Abendlandes symbolisieren.

Die Philosophie des Omelettbratens

Infotainmentformate wie das Frühstücksfernsehen dienen in der Medienkritik oft als Paradebeispiel für das, was im Journalismus der Gegenwart als Ganzes passiert. Weshalb es wenig verwundert, dass eine Komödie, die so ganz nebenbei den Sieg des „Fluff“ über die „Hard News“ annonciert, zunächst eher kritisch gesehen wird. Die Art und Weise, in der hier eine reizende Rachel McAdams als Nachwuchs-Producerin den grimmigen Harrison Ford in der Rolle des „seriösen“ Reporters dazu rumkriegt, statt nur die neuesten Machenschaften eines korrupten Senators zu entlarven, übers Omelettbraten zu philosophieren, kommt da fast einer Kapitulationserklärung gleich.

Zwei Filme werden der aktuellen Komödie entgegengehalten, die als Höhepunkte der filmischen Kritik am Fernsehjournalismus gelten: Sidney Lumets zynische Satire „Network“ (1976) und James L. Brooks’ Anchormen-Comedy „Broadcast News“ (1987). „Network“ handelt von einem alternden Nachrichtensprecher, der wegen schlechter Quoten entlassen werden soll und daraufhin vor laufender Kamera predigenderweise durchdreht. Weil er damit prompt zum Quotenhit aufsteigt, kreiert die hier von Faye Dunaway gespielte Nachwuchs-Producerin ein neues Format: „Der wütende Prophet, der die Heucheleien unsere Zeit entlarvt.“ Es ist ein so präzises Porträt dessen, was die amerikanischen Fox-News inzwischen als rechte Propagandamaschine perfektioniert haben, dass es einem fast Gänsehaut bereitet.

„Broadcast News“ galt in den ausgehenden 80ern zwar als wahrhaft fortschrittlich, heute jedoch wirkt die den Film durchziehende Klage darüber, dass im Fernsehen nicht der Schlaue triumphiert, sondern der Gutaussehende, der perfekt auf den Stöpsel im Ohr reagieren kann, als Medienkritik eher antiquiert. Gerade im Vergleich zu „Broadcast News“ lässt sich an „Morning Glory“ genießen, wie der Film solche Gefechte um „Wahrheit“ und „Anspruch“ nonchalant hinter sich lässt. Und seine kritischen Spitzen verdeckter austeilt. Etwa wenn der „Hard News“-Vertreter Mike Pomeroy, den Harrison Ford mit fast geschäftsschädigender Lust an der schlechten Laune gibt, sich an eine Stelle selbst lobt: „Ich erlitt in Bosnien eine Schusswunde am Arm, habe Colin Powell aus einem brennenden Jeep gezogen, habe während einer Cholera-Epidemie einen kalten Waschlappen auf Mutter Teresas Stirn gelegt, war mit Dick Cheney Mittagessen“ … „Sie machen es also wegen dem Geld?“, unterbricht ihn die Producerin. Woraufhin er zugeben muss, dass sie da dann doch wieder recht hat.

Die Geschwindigkeit der popkulturellen Intelligenz

Rachel McAdams verkörpert zwar das Klischee der sich abstrampelten modernen Frau, liefert dabei aber auf wunderbare Weise die Stichworte für eine ganze Reihe herrlich kaltschnäuziger Nebendarsteller wie Jeff Goldblum oder Diane Keaton. Am Ende erscheint „Morning Glory“ weniger als Medienkritik denn als Hommage eines hochprofessionellen Apparates der Unterhaltungsindustrie an einen anderen: Hollywoods Komödienschmiede grüßt das New Yorker TV-Gewerbe. Ein faszinierender Mechanismus tritt dabei zutage, bei dem eine spritzige Pointe die nächste ablöst und eine Situation nach der anderen sich durch bloßes Timing zum Gag steigert. Die formelhafte Inszenierung wird geradezu ausgestochen durch die Überfülle an Wortwitz und die viele Anspielungen, die durch geschickte Auslassung und bloße Geschwindigkeit die popkulturelle Intelligenz des Zuschauers fordern. Was soll’s – wenn der „Fluff“ die „Hard News“ besiegt hat, solange wir darüber noch so schön Witze machen können, ist längst nicht alles verloren.

„Morning Glory“. R.: Roger Mitchell. Mit Rachel McAdams, Harrison Ford, Diane Keaton. USA 2010, 107 Min.