Nancy Pelosi ärgert sich und ihre Kollegen

Der Neustart der US-Demokraten ist bislang von Pech und Pannen geprägt. Daran ist ihre Frontfrau nicht unschuldig

WASHINGTON taz ■ Für die Demokraten im US-Senat kann bei 51 zu 49 Sitzen von einer gesunden Mehrheit keine Rede sein. Doch wie fragil ihr Vorsprung im neuen Kongress ist, wurde schneller deutlich als gedacht. Denn vergangene Woche musste der demokratische Senator Tim Johnson wegen einer Hirnblutung operiert werden. Der Schrecken ist groß. Kann Johnson sein Amt in der neuen Legislaturperiode im Januar nicht antreten, muß der Gouverneur seines Heimatstaats – im Falle South Dakotas ein Republikaner – einen Nachrücker bestimmen. Damit wäre die Mehrheit futsch – und es käme noch schlimmer: Bei einem Patt von 50 zu 50 hätte, laut US-Verfassung, der Vizepräsident, also der Republikaner Dick Cheney, als Präsident des Senats die entscheidende Stimme.

Seit dem Wahlsieg am 7. November ist dieser tragische Zwischenfall nur einer in einer Serie von Pleiten, Pech und Pannen der Demokraten. Washingtoner Kommentatoren sind der Meinung, dass der Start auf dem Weg zurück an die Macht bislang ziemlich mies verläuft – und dass die Demokraten dies ihrer Frontfrau, der designierten Präsidentin des US-Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, zu verdanken haben.

Mehrmals schon überraschte die langjährige Politikerin aus Kalifornien ihre eigene Partei mit merkwürdigen Personalentscheidungen. Statt einer Politikstrategie verfolge sie bei der Besetzung wichtiger Kongressposten eher eine persönliche Favoritenliste, heißt es. Sylvestre Reyes zum Beispiel, den Pelosi für den Posten des Geheimdienst-Ausschussvorsitzenden nominierte, verblüffte die Öffentlichkeit mit haarsträubenden Wissenslücken. Während seiner Anhörung konnte Reyes die Frage nach der religiösen Anbindung des sunnitischen Terrornetzwerks, gegen dass die USA seit fünf Jahren Krieg führen, nicht beantworten. „Al-Qaida, die sind vermutlich Schiiten“, meinte Reyes. Auch die libanesische (schiitische) Hisbollah konnte Reyes nicht verorten.

Pelosi hatte Reyes in der Öffentlichkeit als „sehr kompetent“ gepriesen und ihn dann an der Anwärterin Jane Harman vorbeigelotst. Harman, die am längsten dienende Demokratin im Geheimdienst-Ausschuss und damit die am besten qualifizierte Kandidatin, soll Pelosi zuvor „geärgert“ haben, weshalb sie von der Postenvergabe ausgeschlossen worden sei.

Bereits kurz nach dem Wahlsieg hatte Pelosi, die die erste Parlamentspräsidentin in der US-Geschichte sein wird, gezeigt, wie sie alte Rechnungen begleicht. Damals wollte sie auf keinen Fall Steny Hoyer zu ihrem Vize ernennen. Auch Hoyer, Wunschkandidat der Partei, soll Pelosi einmal geärgert haben, weshalb sie bis zur Stichwahl stur an ihrem alten Freund John Murtha festhielt. Als dann Hoyer statt Murtha gewählt worden war, gab sich Nancy Pelosi, als sei nichts gewesen, hocherfreut.

Wählende, die geglaubt hatten, jetzt ginge es den Republikanern an den Kragen, wurden ebenfalls enttäuscht. Die Liberalen verkündeten, dass sie das Budget – ihre eigentliche Macht gegenüber dem Präsidenten – bis spät ins neue Jahr unangetastet lassen wollen. Noch schlapper kommen die Demokraten nur noch in der Irakfrage daher. Den Baker-Bericht zur Strategieänderung im Irak werde man prüfen, sagte Pelosi, einst Bushs schärfste Kritikerin. Laut Aussagen von Mitarbeitern sei Mrs Speaker verschnupft, weil sie bei der Auswahl für die Baker-Kommission kein Mitspracherecht hatte.

ADRIENNE WOLTERSDORF