Eine humane Migrationspolitik
: KOMMENTAR VON DOMINIC JOHNSON

Eine „umfassende europäische Migrationspolitik“ versprachen die 25 EU-Mitgliedstaaten auf dem Brüsseler Gipfel Ende letzter Woche, dazu einen verschärften Kampf gegen illegale Migration. Deutschland hatte zuvor schon den „effizienteren Schutz der Außengrenzen“ angekündigt, als es sein Programm für die EU-Ratspräsidentschaft 2007 vorstellte.

All das war tief im Kleingedruckten versteckt. Nun haben mindestens 80 Menschen aus Senegal ihren Wunsch, in Europa zu leben, mit dem Leben bezahlt und hieven das Thema Migration wieder nach oben auf die politische Tagesordnung. So hatte sich die Bundesregierung das sicher nicht vorgestellt.

Es waren natürlich nicht die EU-Grenzpatrouillen, die das Holzboot der Auswanderer zum Kentern brachten. Aber es ist bekannt, dass Migranten aus Afrika zur Umgehung der europäischen Seeüberwachung immer längere und gefährlichere Routen wählen. Das ist ja der Sinn der EU-Abschottungspolitik. Tote nimmt sie dabei in Kauf.

Tausende von Afrikanern sind beim Versuch der Einreise nach Europa bereits gestorben. Zehntausende vegetieren in Zuständen krimineller Ausbeutung auf dem schwarzen europäischen Arbeitsmarkt. Und Hunderttausende in Afrika selbst leiden unter den Folgen. Aber man hat noch zu keinem einzigen Todesfall eines afrikanischen Migranten von einer EU-Institution ein Wort des Bedauerns gehört.

Eine humane Migrationspolitik muss zunächst Menschenleben retten. Man kann „Fluchtursachen“ und „Ursachen der Migration“ nicht als zu bekämpfende Übel darstellen. Sie sind zumeist identisch mit Ursachen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritts. Denn bei beidem geht es um den Drang von Menschen nach einem besseren Leben. In die Fremde zu ziehen, war in der Geschichte immer etwas Selbstverständliches, eine Bereicherung für alle.

Europa sollte in diesem Zusammenhang seine eigenen Erfahrungen, aus denen ja überhaupt erst die EU entstand, nicht vergessen. Die Migration aus Afrika ist eine Chance für eine Verminderung globaler Spannungen. Solange die EU das nicht begreift, kann eine „umfassende“ Politik nichts bringen außer Leichen im Meer.