Eltern kriegen keine Privilegien

Hamburg nimmt bei Rund-um-die-Uhr-Ladenöffnung keine Rücksicht auf allein erziehende Mütter. Begründung: die andern Länder tun’s auch nicht. Nur Berlin führt eine Schutzklausel ein

Von Kaija Kutter

Im Weihnachtsgeschäft bleiben Hamburgs Verkäuferinnen vom neuen Ladenöffnungsgesetz noch verschont, aber schon ab dem 2. Januar ist es den Läden in der Elbmetropole erlaubt, werktags rund um die Uhr zu öffnen. Anders als das Land Berlin hat Hamburg bei dem kürzlich verabschiedeten Gesetz keine Schutzklausel für allein erziehende Mütter eingebaut.

Das Hamburger Gesetz sei „extrem kinder- und familienunfreundlich“, meinen die drei Hamburger SPD-Abgeordneten Carola Veit, Andrea Hilgers und Gesine Dräger. Im Handel arbeiten zu 70 Prozent Frauen. Der vom Senat eingerichtete „Familien-TÜV“, der alle Gesetze auf Familienfreundlichkeit testen soll, habe „mal wieder versagt“. Da der Senat allen berufstätigen Eltern eine Kita-Betreuung garantiert, fragen die drei in einer leicht überspitzt formulierten parlamentarischen Anfrage nach, mit welchen „jährlichen Kosten“ er für Spät- und Nachtbetreuung rechnet.

Kindgerechter wäre es, die Mütter nicht zur Nachtarbeit zu zwingen. „Wenn dieses überflüssige Gesetz schon kommt, sollte man wenigstens die Folgen abmildern und eine Freiwilligkeitsklausel einführen“, fordert der Hamburger DGB-Chef Erhard Pumm.

Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) sieht keinen Handlungsbedarf. „Wir als Land schaffen nur den gesetzlichen Rahmen“, erklärt sein Sprecher Peter Kleinort. Ein möglicher Schutz für allein Erziehende wäre eine Sache, die nun die „beteiligten Tarifparteien untereinander aushandeln“ müssten. Allein die Tatsache, dass Berlin eine Schutzklausel schuf, sei „kein Maßstab für die 15 anderen Länder“.

Dies sieht das Sozialministerium Niedersachsens, wo ebenfalls ab Januar der Ladenschluss fällt, genauso: „Wir wollen keine positive oder negative Diskriminierung einer bestimmten Gruppe“, sagt dessen Sprecher Thomas Spieker. „Der Schutz von allein erziehenden Müttern ist Sache von Haustarifen.“

„Das sind Witzbolde“, sagt Ulrich Meineke, Sekretär der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Denn durch Tarifverträge würde nur die Hälfte der Verkäuferinnen geschützt, weil viele nicht organisiert sind oder keinen Betriebsrat haben. „Deshalb hätte diese Schutzklausel ins Gesetz gehört“, zürnt der ver.di-Fachmann.

Die Gewerkschaft habe diese Bedenken schon früh geäußert, sei aber nicht gehört worden. Im Hamburger Gesetz findet sich lediglich die Einschränkung, dass bei der „Häufigkeit der Arbeitseinsätze“ auf die „sozialen Belange der Beschäftigten Rücksicht genommen“ werden müsse. Meineke: „Das ist eine sehr weiche Formel, die begründet keinen Rechtsanspruch.“

Ver.di fürchtet nun weitere Verschlechterungen für die Verkäuferinnen, weil die Arbeitgeber die Tarifverträge zum Jahresende kündigten. Diese sicherten bisher den Verkäuferinnen, die nach 18 Uhr 30, und in Ausnahmefällen nach 20 Uhr, arbeiteten, so genannte Zeitgutschriften in Höhe von 20 und 50 Prozent der geleisteten Arbeitszeit zu, die nun gestrichen werden sollen. „Die Arbeitgeber wissen, dass es durch die längere Ladenöffnung keine Zusatzverdienste gibt und wollen sich das Geld bei den Beschäftigten holen“, sagt der Gewerkschafter. Im neuen Jahr stünden deshalb „handfeste Auseinandersetzungen“ an.