Kongos neuer Krieg weckt alte Spannungen

In der östlichen Provinz Nordkivu kämpfen Rebellenführer Nkunda und Regierung Kabila um die Vorherrschaft

BERLIN taz ■ Die Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo sind erfolgreich abgeschlossen – aber im Osten des Landes eskaliert erneut ein Krieg. Regierungstruppen und Rebellen des abtrünnigen Generals Laurent Nkunda liefern sich in der Provinz Nordkivu Gefechte. Am Montag meldete der UN-Rundfunk Schüsse mit schwerer Artillerie um die Stadt Rutshuru.

Nkunda, einstiger Rebellengeneral und Tutsi-Militärführer der ruandischstämmigen Bevölkerungsgruppe Ostkongos, unterhält in den Bergen Nordkivus eine bewaffnete Rebellentruppe namens CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes). Ende November, pünktlich zur Bestätigung des Wahlsieges von Staatschef Joseph Kabila, kamen Nkundas Kämpfer von den Masisi-Bergen nahe der Provinzhauptstadt Goma herunter. Sie besetzten die 20.000 Einwohner zählende Stadt Sake auf der Hauptstraße Richtung Goma sowie andere Orte und trieben die Regierungstruppen in die Flucht. Schließlich zogen sie sich wieder zurück.

Aber Frieden ist nicht eingekehrt. Vorletzte Woche endete ein Versuch von Regierungseinheiten, in Nkundas Hochburg in den Masisi-Bergen vorzustoßen, mit hohen Verlusten. Letzte Woche unternahmen die Nkunda-Kämpfer wieder Vorstöße Richtung ugandische Grenze.

Zehntausende Menschen zusätzlich sind nun auf Nothilfe angewiesen. Nordkivu zählt bereits über 550.000 Kriegsvertriebene; die jüngsten Gefechte sollen erneut 50.000 Menschen in die Flucht getrieben haben. Nkundas Sympathisanten im Internet vergleichen die Lage inzwischen mit der vor zehn Jahren, als ebenfalls Tutsi-Rebellen in Ostkongos Bergen gegen den damaligen Diktator Mobutu Sese Seko den Kampf aufnahmen.

Es mehren sich Bemühungen zwischen lokalen Führern aller ethnischen Gruppen Nordkivus, mit gemeinsamen Friedensbekundungen einem neuen Krieg entgegenzuwirken. Aber die militärischen Fakten sprechen eine andere Sprache. Kongos Regierungsarmee hat neue Truppen in die Region geflogen, und die gesamte Armeeführung versammelte sich vor kurzem in Goma. Nordkivu lebt nun wieder im Rhythmus des Krieges. Die zeitweilige Sperrung der Straße zwischen dem 500.000 Einwohner zählenden Goma und den fruchtbaren Masisi-Bergen, wo Nkundas Rebellen herrschen, führte zu Lebensmittelknappheit. Der Unternehmerverband beklagt Plünderungen seitens der Regierungstruppen.

Lokalen Beobachtern macht am meisten Sorge, dass die ethnischen Spannungen in Nordkivu anwachsen – Mitte der 90er-Jahre waren zehntausende Menschen in der Provinz bei ethnischen Vertreibungen getötet worden. Hutu und Tutsi, die beiden Bestandteile der ruandischstämmigen Bevölkerungsgruppe, stehen jetzt wieder politisch auf gegensätzlichen Seiten. Viele Tutsi sehen in Nkunda einen Beschützer. Viele Hutu suchen die Annäherung an die Regierung.

Provinzgouverneur Eugène Serufuli, ein Hutu, hatte bei den Wahlen Präsident Kabila unterstützt, konnte aber nicht verhindern, dass bei den Provinzwahlen Nordkivus größte Ethnie der Nande die Vorherrschaft errang. Manche Hutu fürchten nun Ausgrenzung und stellen sich daher gegen Nkunda. Führend unter ihnen ist Mwami Ndeze, der traditionelle Hutu-König von Rutshuru. Serufuli versucht demgegenüber, eine Hutu-Tutsi-Einheitsfront gegen den Krieg zu bewahren, um Nkunda zu isolieren und ethnischen Hardlinern den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Ein Hutu-Tutsi-Konflikt im Ostkongo würde dramatische Konsequenzen haben. Nkunda wirft zusammen mit Oppositionsparteien der Regierung vor, ihre Offensive mit Hilfe der noch in der Region stationierten Hutu-Milizen aus Ruanda zu führen. DOMINIC JOHNSON