Agentur will Mohammed nicht zeigen

Nach der Aufführung der Mozart-Oper „Idomeneo“ zieht Associated Press das Foto der umstrittenen Schlussszene mit dem Kopf des Propheten zurück. Der Journalistenverband kritisiert den Schritt als „vorauseilenden Gehorsam vor möglichen Islamisten“

„Aufhören“, tönte es vom linken Parkett. „Gut gemacht“, schallte es zurück

AUS BERLIN CIGDEM AKYOL

„Die Welt in Wort und Bild – schnell, zuverlässig, umfassend.“ Mit diesem Slogan wirbt die amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press (AP) in Deutschland. Doch das Versprechen kann oder will die Agentur, die nach eigenen Angaben 85 Prozent der Tageszeitungen in Deutschland mit Nachrichten und Bildern beliefert, nun nicht mehr einhalten.

Denn das Bild aus der umstrittenen Mozart-Oper „Idomeneo“, das die Abschlussszene mit den blutigen Köpfen von Jesus, Buddha, Poseidon und Mohammed zeigt, hat AP gestern zurückgezogen. Auch in anderen Fällen, wie dem der dänischen Mohammed-Karikaturen, habe man Bilder, die die Gefühle der Gläubigen verletzen, nicht veröffentlicht, hieß es dazu aus der AP-Zentrale in New York. Dieser Praxis wolle man auch jetzt treu bleiben.

Ein Schritt, den die Deutsche Presse-Agentur (dpa) nicht nachvollziehen kann. Man werde die Fotos der umstrittenen Szene weiter vertreiben, sagte dpa-Sprecher Justus Demmer der taz. Das sei das „ganz normale nachrichtliche Geschäft“.

Auch Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbands (DJV), kann „den vorauseilenden Gehorsam vor möglichen Islamisten nicht verstehen“. Die Freiheit der Kunst und der Information dürfe nicht verletzt werden.

Noch nie hat die Aufführung einer Mozart-Oper so viel Aufsehen erregt wie die Wiederaufnahme der drei Jahre alten Inszenierung von Hans Neuenfels an der Deutschen Oper Berlin. Wegen einer angeblichen Gefahr durch islamistische Attentäter wurde das Stück im September vom Spielplan genommen, obwohl es keine konkrete Bedrohung gab. Weltweit wurde über Kunstfreiheit diskutiert, plötzlich kannte jeder „Idomeneo“.

Um die Situation zu entschärfen, lud Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Vertreter der ersten deutschen Islamkonferenz in die Wiederaufführung ein. Aber nicht alle wollten hin. Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, und der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, lehnten die Einladung ab. „Ich gehe in die Oper, um mich zu entspannen, und nicht, um Religion, Kunst und Politik in einen Topf zu werfen“, erklärte Mazyek.

Bei der Wiederaufführung am Montag durchsuchte das Landeskriminalamt das Gebäude mit Suchhunden nach Bomben. Vor dem Opernhaus patrouillierten Polizisten, im Foyer mussten die Besucher Metalldetektoren passieren und Taschenkontrollen über sich ergehen lassen.

„Wir sind nicht zum Spaß hier“, sagte Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Landesparlament. Er besuche die umstrittene Inszenierung, um ein „politisches Zeichen“ zu setzen. Ali Ertan Toprak von der Alevitischen Gemeinde Deutschland war gekommen, „um die Meinungsfreiheit zu verteidigen“. Es sei „schade, dass andere Mitglieder der Islamkonferenz nicht dabei sind“.

Die Aufführung verlief ohne Zwischenfälle. Erst in der Schlussszene, wegen der ein Großteil der rund 1.800 Zuschauer überhaupt nur gekommen war, gab es Zwischenrufe. Nachdem der letzte Ton der Musik verklungen war und Idomeneo, der König von Kreta, die geköpften Häupter der Religionsführer aus dem Sack holte, erklang ein lautes „Aufhören!“ vom linken Parkett. „Gut gemacht!“, schallte es von rechts zurück.

Das Spektakulärste des hochgesicherten Opernspektakels war also das Ausbleiben alles Spektakulären. Islamisten wurden nicht gesichtet. Lediglich eine kleine Gruppe Christen demonstrierte vor der Oper.

kultur SEITE 16