Kevins vorletzte Chance

Vor dem Untersuchungsausschuss schildert die Pflegemutter ihre Erfahrung mit Kevin und dem Amt für Soziale Dienste

Am dritten Verhandlungstag des Untersuchungsausschusses „Kindswohl“ war die Tagesmutter als Zeugin geladen, die im Frühjahr 2006 eingeschaltet worden war. Der Stiefvater lehne die Tagesmutter ab, weil sie eine „Türkin“ sei, steht in der Akte des Case-Managers von Kevin. Die Abgeordneten staunten gestern nicht schlecht, was passiert war – aus Sicht der Tagesmutter.

Die Frau, eine Syrerin, hat immer wieder Kinder aus schwierigen sozialen Umständen in Pflege. Zurückgeblieben, schwach, unterernährt sei Kevin gewesen. Sie sei entsetzt gewesen, wie eingeschüchtert sich das Kind gegenüber dem Vater zeigte. Der habe ihr ein Fläschchen mit aufgelösten Magnesium-Tabletten und Salzstangen für die Ernährung in die Hand gedrückt.

An ihrem dritten Pflegetag habe Kevin nicht längere Zeit stehen können. Eine andere Mutter war gerade zu Besuch, die beiden Frauen nehmen den Verband am Fuß ab – und entdecken einen offenbar gebrochenen Fuß. Dann blaue Flecken an mehreren Körperstellen, eine Verletzung an der Hand. Die beiden Frauen rufen beim Amt für Soziale Dienste an, erreichen lange Zeit niemanden, dann erzählen sie – eine Stunde lang – dem Pflegedienst von den Verletzungen, sagen, dass man dem Mann das Kind nicht anvertrauen dürfe. Antwort des Pflegedienstes, so die Tagesmutter: Es sei kein Geld da für eine Pflege. Sie habe so sehr Mitleid gehabt, dass sie dem Pflegedienst angeboten habe, Kevin so aufzunehmen. Sie erhalte ohnehin nur 50 Cent pro Stunde. Antwort des Pflegedienstes: Ohne Geld – das gehe nicht.

Die beiden Frauen erreichen dann doch den Case-Manager, erzählen von den Verletzungen, fragen, was sie machen sollen. Der habe erklärt, er kümmere sich. Ohne sofortige Hilfe werde Kevin bei seinen Verletzungen den nächsten Tag nicht überleben, habe sie gesagt, erinnert sich die Pflegemutter.

Offenbar hatte der Case-Manager den Stiefvater direkt von den Vorwürfen unterrichtet. Der holte jedenfalls Kevin überstürzt ab – und brachte ihn nie wieder. Dass Kevin einem Kinderarzt vorgeführt wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. kawe